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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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ein Schauspieler auch noch kurzsichtig ist.
    »Absolut kein Grund, sich aufzuregen, Wölfchen.«
    »Natürlich nicht, Hexlein.«
    »Julio, Bob Cummings, Rod, keiner regt sich auf.«
    »Diese Gedächtnislücken haben aber doch einen Grund, Hexlein!«
    »Dreh dich um.« Sie war aufgestanden. Ich drehte mich um. Ich wußte, sie zog ihren Mantel aus, BH und Slip und Kleid an. Jetzt müßte ich mich also umdrehen, damit ich sie nicht nackt sah. Ich, ihr geliebtes Wölfchen.
    »Natürlich haben sie ihren Grund.«
    Ich sah einen Spiegel vor mir. Im Spiegel sah ich Sylvia. Total nackt. Ich fühlte keine Begierde, nicht die geringste. »Lester hat ihn mir erklärt.«
    »Lester?«
    »Na, Doktor Collins. Er hat gesagt, das sind die Folgen der Paronthil-Injektionen.«
    »Feiner Arzt. Joe wird sich freuen. Was ist das für ein Idiot von Arzt?«
    Auf dem Gang draußen rannte jemand vorbei, ein Mädchen, und schrie, spanisch, daß sie genug habe, genug, genug, daß sie alles hinschmeiße, sollte sich die Produktion doch eine andere Hilfe für die Maskenbildner suchen, wenn Señor und Señora Patterson doch hier dauernd an ihr herummäkelten! Die Filmarbeit dauerte schon lange. Und sie würde noch lange dauern. Es ist immer dasselbe. Zuerst lieben sich alle. Dann werden alle gereizt. Wenn ein Film abgedreht ist, kann keiner den andern mehr sehen, dann ist offener Haß ausgebrochen. Immer das gleiche.
    Sylvia schloß ihren BH.
    »Lester ist kein Idiot, Lester ist ein Genie! Daß ich überhaupt drehen kann, daß ich so ruhig und ausgeglichen bin trotz der armen Babs, trotz allem, das verdanke ich nur ihm! Joe weiß das! Ich habe es ihm gesagt. Er hat mit Lester telefoniert. Lange. Lester hat ihm alles erklärt. Joe hat alles begriffen und Lester gedankt.« Sie zog einen Slip an.
    »Gedankt?«
    »Ja, Wölfchen … Wo ist jetzt …«
    »Ist jetzt was?«
    »Ist jetzt was was?«
    »Du hast gesagt – ach, nichts.«
    Sie irrte in der Garderobe herum. Wußte nicht, was sie suchte. Sicherlich ihr Kleid. Aber das hatte sie vergessen.
    »Also Joe hat Lester gedankt.«
    »Ja. Siehst du … da ist ja der verfluchte Fetzen! Siehst du, Wölfchen, Lester mußte mir die Spritzen geben!« Sie streifte ein gelbes Sommerkleid über. »Unbedingt. Um mich ruhigzustellen. Das erste war die Narko-Hypnose, in der er mir Befehle gab. Die haben erst wieder einen Menschen aus mir gemacht, diese Kurz-Hypnosen unter Paronthil. Frag, wen du willst! Ich habe gespielt – besser als je zuvor.« (Das stimmte. Das hatten mir Rod und Bob Cummings am Telefon gesagt. Sie hatten mir auch gesagt, daß sie Angst um Sylvia hatten – dieses Psychiaters wegen. Sie richteten nichts gegen ihn aus. Vielleicht konnte ich da etwas tun.) Sylvia kehrte zum Schminktisch zurück und kämmte ihr Haar. »Nur, es waren ein oder zwei Injektionen zuviel, Wölfchen, verstehst du? Ich habe viele gebraucht, sonst hätte Lester mich nicht wieder so prima hingekriegt.«
    »Und die ein, zwei Injektionen zuviel bescherten dir die Gedächtnislücken?«
    »Ja.« Jetzt schminkte sie sich, nur flüchtig. »Kein Unglück, sagt Lester. Sagt da Cava. Sagt Joe. Sagen alle. Das ist kein bleibender Gedächtnisschwund. Wird vorübergehen.«
    »Wann?«
    »Was wann?«
    »Wann wird er vorübergehen?«
    »Wer?«
    »Nichts. Erzähl weiter.«
    »Paronthil ist ein Wundermittel. Aber mit Nebenwirkungen eben. Man muß es sofort absetzen, wenn die auftreten. Lester hat es sofort abgesetzt. Jetzt kommt die eigentliche Analyse, weißt du, Wölfchen.«
    »Und die Gedächtnislücken?«
    »Ist eine Sache von Tagen. Und dann … Wohin gehst du?«
    »Mit Lester reden.«
    »Du weißt doch gar nicht, wo er ist.«
    »In der Kantine. Hast du mir doch gesagt. Vor zehn Minuten.«
    »Tatsächlich? Ja, da ist er. Wunderbarer Mensch, Wölfchen. Du wirst ihn sofort verehren, wie ich das tue.«
    »Sicherlich.«

25
    A uf dem Gang draußen fluchte ich mich halb tot – deutsch. Ich ging die schmale steile Treppe ins Erdgeschoß hinunter. Sylvia kam mir entgegen. Natürlich nicht Sylvia. Carmen Cruzeiro, das Double. Auch sie trug nur einen ganz dünnen, kurzen Mantel. Sie war bereits abgeschminkt.
    »Hallo, Carmen!«
    »Guten Tag, Mister Kaven.«
    Ich starrte sie an und fühlte, wie mein Blut – mein ganzes Blut, dachte ich – auf einen Punkt zuschoß. Verrückt. Völlig verrückt. Eben hatte ich Sylvia nackt gesehen, ohne irgendein Gefühl. Nun sah ich ihr Double, und um ein Haar hätte ich Carmen das Mäntelchen

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