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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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anzuziehen. Sie waren so verschieden und so gleich, wie wir alle, alle Menschen auf dieser Welt gleich sind und doch ganz verschieden.

23
    D onnerstag, 7. September.
    »Hallo, hallo? Monsieur Norton?«
    »Oui. Oui est là?«
    »Mon p’tit chou, erkennst du meine Stimme nicht mehr?«
    Früher Nachmittag. Ich war in Rektor Halleins Zimmer gerufen worden. Telefon.
    »Suzy! Wie geht es dir? Was ist los? Warum rufst du an?«
    »Du darfst nicht böse sein …«
    »Nun rede schon! Ich bin nicht böse.«
    »Mon p’tit, ich mußte dich sofort anrufen, Seit einer Stunde steht es fest.«
    »Was?«
    »Wann ich meinen kleinen Grafen heirate.« Sie fing zu heulen an. »Am … amamam …«
    »Suzy!«
    »Am ersten Oktober. Standesamtlich. Und kirchlich. In so einem von den Drecksnestern, wo eines von seinen Schlössern steht. Das größte. Da werde ich wohnen. Mon p’tit, das ist in der finstersten Provinz! Ich muß Paris verlassen, mein Paris …« Neuerlicher Tränensturz. »Alles löse ich schon auf … Am ersten Oktober bin ich endgültig so eine Gräfin.«
    »Herzlichen Glückwunsch, chérie!«
    »Glückwunsch? Mist! Mist! Mist! Ich muß dich sehen vorher! Unbedingt muß ich dich sehen – nur noch einmal, bitte!«
    »Aber …«
    »Bitte, Phil!«
    »Weißt du …«
    »Mein kleiner Graf muß schon vorausfahren, alles vorbereiten. Riesengeschichte – lauter Grafen und Gräfinnen kommen. Zum Kotzen! Ich muß dich einfach noch einmal sehen, bevor ich in der Versenkung verschwinde. Wenn du mich nur ein ganz kleines bißchen lieb hast, kommst du vorher nach Paris! Damit ich etwas habe, wovon ich träumen kann dann da in der Normandie …«
    »In Ordnung, Suzy.« Sie war immer so nett zu mir gewesen, so hilfreich. »Ich danke dir! Wann kommst du?«
    »Ich weiß noch nicht …«
    »Am besten ganz knapp vor dem Ersten. Da ist er bestimmt nicht da. Da habe ich allerdings auch nicht mehr die Wohnung an der Place du Tertre … Da wohne ich schon in seinem Stadtpalais … Aber wir zwei, wir gehen dann in ein nettes Lokal, ja?«
    »Ja, Suzy.«
    »Ich habe gewußt, du läßt mich nicht einfach fallen. Du hast meine Nummer, du rufst rechtzeitig an?«
    »Ja.«
    »Danke! Danke, chéri … Ach ja, wie geht es der Kleinen? Immer noch dreckig, wie?«
    »Ja.«

24
    G edächtnislücken«, sagte Sylvia. »Ganz plötzlich. Gedächtnislücken.« Da war es Freitag, der 8. September, nachmittags.
    Schräg schien die Sonne durch die Ritzen der herabgelassenen Jalousien in Sylvias Garderobe. Auf dem Gelände drehten sie gerade Szenen mit dem Lumpenrichter Azdak und seinem Freund Schauwa. Die Geschichte mit dem Flüchtling. Es war noch sehr warm, aber nicht mehr heiß in Madrid – seit zwei Tagen, wie sie mir bei der Ankunft gesagt hatten. Plötzlich schien die Hitze gebrochen. Sylvia schminkte sich ab. Sie hatte ihr Haar mit einem Tuch hochgebunden, trug nur einen weißen, kurzen und dünnen Bademantel und schaute in den Spiegel, während sie mit Fett die Schminke aus ihrem Gesicht rieb. Ich war vor zwei Stunden gelandet und sofort zu den Ateliers hinausgefahren. (Nach Suzys Anruf war noch einer von Bracken gekommen. Höchste Zeit für mich, wieder herunterzufliegen. Neuer Trouble. Ich würde schon alles erfahren. Aber ich müsse wirklich bald kommen. Also war ich gekommen. FRIEDEN ALLEN WESEN.)
    »Ich habe doch jeden Dialog behalten – immer, Wölfchen, den längsten, wie?«
    »Ja. Und jetzt?«
    »Ach, übrigens, hier ist ein Scheck.« Sie gab ihn mir. Ich sah ihn an. Ihr Konto. Ihre Handschrift. Sehr große Summe. Wirklich großzügig.
    »Hexlein, das ist zuviel …«
    »Gar nicht zuviel! Du brauchst doch jetzt eine Menge! Für Reisen und Telefonate und Babs …«
    »Ich bekomme doch mein Gehalt als Produktionschef!«
    »Nein, ich will, daß du mehr hast!«
    »Also ich danke dir, Hexlein. Danke.«
    »Weißt du, jetzt vergesse ich einfach meinen Dialog, bleibe hängen …«
    Na, das war nun aber endlich eine gute Nachricht! »Es ist keine Katastrophe, wirklich nicht! Aber immerhin, ich brauche Neger, sonst bin ich aufgeschmissen.«
    Neger nennt man beim Film große schwarze Tafeln, die hinter der Kamera oder jedenfalls außerhalb des Bildes stehen. Auf denen werden für einen Schauspieler, der seinen Text nicht behalten kann, die Sätze mit weißer Kreide aufgeschrieben. Er linst dann immer mal wieder hin zu dem Neger. Wenn es lange Szenen sind, gibt es mehrere Neger in der Dekoration. Besonders heiter wird die Sache, wenn so

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