Niemand ist eine Insel (German Edition)
wirklich die Nerven, dachte ich. Bald fühlst du dich wieder blendend, und so etwas passiert dir nie wieder, wenn du erst weniger Sorgen hast, dachte ich.
Dachte ich …
27
A ls ich ins CASTELLANA HILTON kam, war es halb drei Uhr früh, und ich konnte kaum gehen, so betrunken war ich. Ich hatte mich in drei Bars vollaufen lassen, ich hatte keine Ahnung mehr, in welchen, und in einer hatten mir die Mädchen Geld geklaut.
Der Nachtportier sah mich neugierig an, als er mir meinen Schlüssel gab. Wir hatten noch ein Appartement dazu gemietet – Bracken hatte das getan. Angeblicher Grund: Während der Dreharbeiten brauchte Sylvia äußerste Ruhe und mußte früh zu Bett. Darum hatten wir nun getrennte Schlafzimmer. Die Appartements gingen ineinander über.
Der sprachkundige Papagei auf seiner Stange bei dem nun abgedrehten Springbrunnen schlief. Ich fuhr mit dem Lift in mein Appartement hinauf und streifte vor der Tür die Schuhe ab. Dann ging ich auf Zehenspitzen durch zwei Salons bis zu Sylvias Schlafzimmer. Ich drückte die Klinke nieder. Die Schlafzimmertür war abgeschlossen. Ich lauschte und hörte Sylvia leise schnarchen. Ich ging zurück in mein Schlafzimmer, zog mich aus und badete kurz, und dann legte ich mich ins Bett. Aber ich schlief keine drei Stunden mehr in dieser Nacht.
Sylvia fand mich um sieben Uhr früh schon angezogen. Sie war es auch. Wir frühstückten zusammen und scherzten und plauderten über dämliches Zeug. Und natürlich über Lester. Ich sagte, er sei einfach phantastisch, jetzt wisse ich es.
Dann fuhr ich Sylvia in ihrem Rolls-Royce zum Gelände hinaus und brachte sie zu ihren Maskenbildnern. Da saß Carmen. Wir begrüßten uns alle sehr freundlich, Carmen war besonders herzlich zu Sylvia. Zu mir auch, aber so, daß nur ich es merkte.
Zwei Tage blieb ich in Madrid, spielte Produktionschef und war den ganzen Tag auf dem Gelände, und natürlich kamen wieder Fotografen und Reporter. Rod und Cummings und da Cava gestand ich meine Ohnmacht: Auch ich brachte ihnen diesen Collins nicht vom Hals.
Sie sahen es ein – zähneknirschend.
Im HILTON aßen Sylvia und ich auf dem Zimmer – wir hatten ja genug Platz –, und dann gab mir Sylvia einen Kuß auf die Wange oder auf die Stirn und verschwand in ihrem Schlafzimmer. Sie sperrte es immer ab.
Als ich abflog, brachte mich Sylvia zum Flughafen, und die Reporter fuhren mit und blieben da bis zur letzten Sekunde. Sylvia sagte mir, daß sie nun, noch am gleichen Tag, ihre erste Analyse-Stunde mit Lester haben werde.
»Es wird phantastisch werden, nicht wahr, Wölfchen?«
»Natürlich.«
Dieses Gespräch fand am Fuß der Gangway der SUPER-ONE-ELEVEN statt, und fortwährend wurden noch Aufnahmen von uns gemacht.
»Und bitte, Wölfchen, arrangiere das Treffen mit Babs. Du hast gesagt, du wirst es tun. Sehr lange sind wir nicht mehr in Madrid. Später kann ich nicht nach Deutschland kommen. Meine zwei freien Tage habe ich noch hier, auf dem Gelände.«
»Ich werde alles arrangieren«, sagte ich. »Wir müssen nur sehr vorsichtig sein – das ist dir doch klar, nicht wahr?«
»Ich werde unendlich vorsichtig sein, Wölfchen. Ach, wie ich mich auf meinen Goldschatz freue …«
Ich wollte sie fragen, ob sie etwas davon wisse, wie Joe es angeblich fertiggebracht hatte, eine völlig gesunde Babs in einem amerikanischen Internat unterzubringen. Aber ich ließ es sein. Es hätte sie zu sehr erschreckt, denn das war irgendeine Sauerei von Joe, wenn ich sie mir auch nicht vorstellen konnte.
In Paris fuhr ich ins LE MONDE, verwandelte mich (zum wie vielten Male?) in Philip Norton und flog mit der LUFTHANSA weiter nach Nürnberg, und da war wieder Ruth am Flughafen, und als wir dann in ihrem VW saßen, küßten wir uns, und dieser Kuß ließ mich für eine kurze Weile alles vergessen, was ich erlebt hatte, mein Versagen bei Carmen, meine Niederlage bei diesem Schwein Doktor Collins und die seltsame, unbegreifliche Geschichte aus Joes Mund, daß Babs gesund und munter in einem amerikanischen Internat lebe. Davon erzählte ich Ruth.
Sie sagte: »Die haben da irgendein Ding gedreht für den Fall, daß etwas durchsickert.«
»Aber was für ein Ding? Wie ist so etwas möglich? Woher haben sie eine gesunde Babs?«
»Sie haben sehr viel Geld, nicht wahr«, sagte Ruth. »Wenn man sehr viel Geld hat, ist alles möglich. Die müssen sich schützen. Wir werden schon noch dahinterkommen, wie sie es getan haben. Oder, besser, wir müssen nie
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