Niemand ist eine Insel (German Edition)
schon, also, ich danke dir, Phil! Und dir auch, Suzy.
Ich hatte sie aus Heroldsheid angerufen und ihr mein Kommen angekündigt, denn ich mußte nach Madrid – noch in dieser Nacht mußte ich weiterfliegen, morgen früh mußte ich da sein –, und sie hatte laut gejubelt. Grund: Ihr kleiner Graf schien in diesem Kuhnest eine Hochzeit à la Hollywood aufziehen zu wollen. Er hatte sämtliche Angestellten, alle, selbst den Concierge seines Stadtpalais, aufs Land gerufen, damit sie halfen. Er kam mit den Angestellten, die er da draußen hatte, nicht zurecht. Wir waren allein in dem Riesenhaus. Darum hatte ich ja auch herkommen können. Allerdings hatte Suzy zuerst gewisse Bedenken gehabt, mir aber machte eben das Spaß: sie noch einmal zu lieben im Hause des Mannes, der sie in drei Tagen zur Gräfin machen sollte. Natürlich regte das dann sofort auch Suzy auf. Und wenn uns jemand beobachtete? Wenn wir entdeckt wurden? Nun hatte ich wieder Angst bekommen …
»Ach was«, hatte Suzy dann gesagt. »Wir riskieren es! Wenn er mich erwischt und rausfeuert … ist mir doch egal! Ich werde dir niemals Vorwürfe machen. Denn ich werde dann nicht seine Frau werden müssen. Cheri, das ist verflucht aufregend, was? In seinem Haus! In seinem Bett! Klar machen wir’s! Du kommst her!«
In Orly wartete die Crew der SUPER-ONE-ELEVEN. Und ich saß also nun da, auf dem Bett des Grafen, und hatte die wüstesten drei Stunden meines Lebens mit seiner zur Gräfin Erwählten hinter mir und trank seinen Champagner und zog jetzt einen seiner Seidenpyjamas an, denn mir war kalt. Suzy lief nackt ins Bad. Ich hörte, wie sie sich wusch, und ging ihr nach und wusch mich auch.
»Vorhin«, sagte Suzy, auf dem Bidet, »habe ich einmal geglaubt, jetzt sterbe ich. Und ich habe gedacht, laß mich sterben, lieber Gott. Bitte.«
»Gibt keinen schöneren Tod«, sagte ich, mich waschend. »Das, was ich mir immer wünsche. Da wir schon alle sterben müssen, möchte ich dabei sterben.«
»Ich auch«, sagte Suzy. Ich hatte die Gläser mitgebracht, und sie saß da und trank, und ich trank auch und stellte das Glas dann wieder ab. Suzy lachte.
»Was ist?«
»Mein Graf nicht.«
»Was dein Graf nicht?«
»Der will nicht sterben.«
»Nicht dabei?«
»Überhaupt nicht.«
»Was heißt: überhaupt nicht?«
»Ich hab ihm mal gesagt – da hat er mir mit seinem unheimlichen Reichtum einfach zu sehr geprotzt, weißt du …«
»Hm.«
»… da habe ich ihm gesagt: ›Was du auch hast, du kannst es nicht mitnehmen. Keiner kann es mitnehmen!‹ Sagt er: ›Gut. Wenn ich es nicht mitnehmen kann, dann sterbe ich einfach nicht.‹«
»Der hat ja Humor!« sagte ich.
»Ach wo, der ist doof wie ein Ei. Das hat der ernst gemeint!«
»Nein!«
»Doch!«
»Suzy!«
»Ich schwör’s dir! Der … der … Ach Gott, wenn ich nur an den Kerl denke, wird mir koddrig … Seine miese rachitische Figur … sein viel zu großer Kopf … so degeneriert …«
»Aber so reich«, sagte ich.
»Ja, so reich«, sagte Suzy.
Und dann schwiegen wir gedankenvoll, ich in des Grafen Morgenmantel, Suzy in einer kurzen Strandjacke aus Frotté.
»Den Abend kann ich nie vergessen«, sagte Suzy. »Und wenn ich hundert werde.«
»Ich auch nicht. Weißt du, was mich so begeistert?«
»Was?«
»Daß ich seine Sachen trage und seinen Champagner trinke und in seinem Bett … Es ist doch eine herrliche Sache, einem andern mal mächtige Hörner aufzusetzen!«
»Ach, chéri … was für ein Jammer, daß auf dieser Welt nie die Richtigen zusammenkommen, was?«
»Ja.«
»Aber wenigstens habe ich jetzt etwas, wovon ich träumen kann … lange …«, sagte Suzy. »Darf ich dir schreiben?«
»Wann du willst.«
»Wir dürfen einander nicht einfach so ganz vergessen.«
»Nein.« Ich sah auf eine Uhr aus Marmor und Gold. »Ich muß weg.«
»Noch eine Viertelstunde, nur noch eine Viertelstunde, bitte!«
»Es geht nicht, Suzylein.«
Ich blieb fast noch eine Stunde …
30
W as heißt ›sich gehen lassen‹?« sagte Rod Bracken. »›Sich gehen lassen‹ ist gut, Doc. Sie haben mir selber gesagt, daß Sylvia Ihnen praktisch bei so einer Couch-Sitzung die Hose aufgeknöpft und Sie dann vergewaltigt hat.«
Der Dr. Lester Collins wurde dunkelrot. An diesem Morgen trug er einen braunen Anzug, ein beigefarbenes Seidentüchlein, beigefarbene Schuhe, eine braune Krawatte und ein beigefarbenes Hemd. Er duftete nach Eau de Cologne. Es war neun Uhr am 29. Oktober, einem Freitag, und
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