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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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wir saßen in meinem Salon des Doppelappartements im CASTELLANA HILTON. Ich frühstückte. Die beiden anderen sahen mir dabei zu. Sylvia war längst auf dem Gelände. Ich hatte den ganzen Flug hindurch wie ein Toter geschlafen und danach noch hier, im Hotel.
    »Ich verbitte mir diese unflätige Ausdrucksweise«, sagte Dr. Collins.
    »Na, also hat Sylvia Sie nun …«
    Das Telefon läutete.
    Nach dem, was da passiert war, hatte mich Bracken nach Madrid gerufen. Ich wäre auf alle Fälle gekommen. Es traf sich nur so gut mit Suzy diesmal. Wir hatten vorhin ein Gespräch nach Hollywood angemeldet. Dort war es noch Nacht. Ich hatte darauf hingewiesen.
    »Egal«, hatte Bracken gesagt. »Dann wird Joe eben geweckt. Wenn Doc heute fliegen will, muß Joe das wissen, und auch, warum.«
    Ich hob ab. Dann hatte ich Joe am Apparat, verschlafen, verärgert, erregt und deshalb durch die Nase schnaubend.
    »Verrückt geworden, Phil? Wissen Sie, wie spät es ist?«
    Ich gab dem Analytiker den Hörer.
    »Los«, sagte ich, »jetzt erzählen Sie mal, Lester.«
    Das berührte ihn nicht im geringsten.
    Er begrüßte seinen alten Freund herzlich und sagte, er hätte nie von sich aus angerufen, wir hätten ihn dazu gezwungen. Danach hörten wir folgendes aus seinem Munde: »Schau mal, Joe, du weißt, wie oft ich dir geholfen habe … Na eben … Nun, hier ist wieder einmal so etwas eingetreten … die Übertragung war zu stark … Ich muß die Behandlung abbrechen … Nein, o nein, ich lasse keine Kranke zurück! Sie ist ganz in Ordnung, unsere liebe Sylvia. Aber ich kann nicht länger … Nein, sei ruhig, Joe, das passiert nicht wieder … Ich fliege zu Mittag. Sei ganz ohne Sorge … Nun ja, Joe, es tut mir leid, aber Sylvia hat sich vergessen … Sie hat mich … Ich meine, ich konnte nicht widerstehen, als sie … Ja, ja, genauso wie bei Lora, genauso, Joe! Du erinnerst dich … Es war genau dasselbe, und damals mußte ich auch die Behandlung abbrechen. Es gibt schließlich noch ethische Gesichtspunkte. Die zwei Herren hier, Kaven und Bracken, verstehen das nicht. Du verstehst es! … Ich lasse mich natürlich auch nicht beleidigen … Ich habe Sylvia wieder vollkommen hingekriegt … und nun sprich du bitte mit diesem Mister Kaven!«
    Er gab mir den Hörer.
    Da war Joes Bibelverkäuferstimme, ganz sanft diesmal: »Phil, mein Junge, wenn Sie oder Bracken noch eine einzige dreckige Bemerkung über diesen wundervollen Arzt machen, gibt es Ärger, verstanden? Lester hat ein Wunder vollbracht, wieder einmal!«
    »Okay, Joe«, sagte ich. »Wenn Sie meinen.«
    »Ich meine es nicht, ich weiß es. Und sagen Sie auch Rod, er soll bloß das Maul halten, sonst lernt er mich von einer anderen Seite kennen. Lester ist ein … ein Heiliger! Auf den Knien danken müssen wir ihm! Was da jetzt passiert ist, bedeutet gar nichts! Das kenne ich … einfach zu starke Übertragung …«
    »Aber Joe, Sylvia hat doch wirklich mit ihrem Arzt …«
    »Sprechen Sie das Wort nicht aus! Was verstehen Sie von Psychoanalyse? Einen Dreck verstehen Sie! Also seien Sie ruhig. Ich bin es auch. Mit Sylvia wird sich nie wieder etwas Derartiges wiederholen. Lester hat sie geheilt.«
    Danach legte Joe einfach auf.
    »Ich entschuldige mich bei Ihnen, Doktor Collins. Bracken entschuldigt sich. Es tut uns sehr leid, daß wir ausfällig geworden sind. Aber als Laien … Sie müssen verstehen …«
    »Was soll das eigentlich?« fragte Bracken. »Sylvia hat sich doch auf ihn draufgesetzt und ihn regelrecht …«
    »Schnauze«, sagte ich.
    »Aber sie hat’s mir doch erzählt, und er hier gibt’s zu!«
    »Alles okay, sagt Joe. Das kommt vor, sagt Joe. Doc ist ein Heiliger. Er hat unsere Sylvia geheilt. Total geheilt.«
    »Du bist übergeschnappt! Total übergeschnappt!« Bracken regte sich auf. »Und wenn unsere Sylvia jetzt wieder fröhlich anfängt, mit jedem Kabelträger zu …«
    »Du sollst das Maul halten«, sagte ich in einer Mischung von Wut, Belustigung und Angst. »So etwas tut Sylvia nicht mehr. Nicht wahr, Doc?«
    Er ließ mich zweimal fragen, dann sagte er, hochmütig, mit gehobenen Brauen: »Natürlich nicht. Nach einer Behandlung durch mich.«
    »Dann interessiert mich nur eines noch«, sagte ich.
    »Nämlich, Mister Kaven?«
    »Nämlich was das hieß: ›Zu starke Übertragung.‹ Ich bin nur ein Idiot. Ich möchte es gerne wissen, Doc.«
    Der Mann hatte nicht den geringsten Sinn für Humor, Ironie war an ihm verschwendet. Er lehnte sich

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