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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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nach. Sah mich suchend um. Da war eine Abstellkammer. Ich schleifte Sylvia nun mehr, als ich sie mit mir zog. Auf die Tür! Kammer voll Gerümpel. Sylvia hinein! Sie fiel auf einen Sack voller Lumpen, keuchend, weinend.
    »Wenn du noch einmal schreist, dann …«
    Ja, mein Herr Richter, ich hätte sie dann geschlagen. Mit der Faust. Ins Gesicht. Sie sah meine Augen und wußte es. Sie wimmerte nur noch leise.
    »Kaputt«, sagte ich haßerfüllt. »Du hast alles kaputt gemacht. Das ist dir doch klar, wie? Ein gesundes Kind hast du zu Tode erschreckt. Warum, verflucht, haben wir erlaubt, daß du kommst …« Sylvia rutschte von dem Sack auf den dreckigen Boden. Ich ließ sie liegen und beschimpfte sie weiter, maßlos, sinnlos.
    Die Tür flog auf.
    Ruth stand in ihrem Rahmen. Sie schloß die Tür hinter sich.
    »Was ist?«
    »Da«, sagte ich nur.
    Sylvia erkannte Ruth und stammelte: »Es tut mir leid … Es tut mir unendlich leid … Ich habe nicht gewußt … Ich habe nicht geahnt …«
    »Ja«, sagte Ruth.
    »Was ist mit Babs?«
    »Sie müssen hier weg, Mrs. Moran.«
    »Was mit meinem Kind ist!«
    »Ihr Kind, Mrs. Moran«, sagte Ruth, »hat durch den Schock einen so schweren Rückfall erlitten, daß ich nicht sagen kann, wie es mit Babs weitergehen wird. Wir mußten ihr starke Injektionen geben. Sie schläft jetzt.«
    »Ich will sie sehen!«
    »Nein.«
    »Bitte! Bitte, liebe Frau Doktor!«
    Ruth sagte weich: »Liebe Mrs. Moran, das ist unmöglich. Absolut unmöglich. Ich sagte schon einmal, Sie müssen hier fort. Abgesehen von Babs – in der Klinik herrschen Verwirrung und Aufregung. Sie müssen fort aus Nürnberg.«
    »Wie?« fragte ich.
    »Ein Hubschrauber bringt Mrs. Moran nach München. Dort nimmt sie die nächste Linienmaschine nach Paris.«
    »Hubschrauber? Was für einen Hubschrauber?« fragte Sylvia verstört.
    »Der Rettungshubschrauber. Er steht auf der anderen Seite des Parks. Sie können ihn von hier nicht sehen. Ich habe mit dem Hauptkommissar Sondersen telefoniert. Er informiert die Polizei in München. Die Besatzung des Hubschraubers ist nicht eingeweiht. Sie setzen Ihre Perücke wieder auf. Und die Brille. Es wird niemand Fragen stellen.«
    »Ich will nicht!«
    »Sie müssen, Mrs. Moran.«
    »Ich gehe hier nicht weg!« schrie Sylvia.
    »Nehmen Sie das!« Ruth gab Sylvia drei weiße Dragees.
    »Was ist das?«
    »Ein Beruhigungsmittel.«
    »Ich nehme es nicht! Ihr … ihr habt mich belogen! Babs hat mich nicht erkannt! Babs ist idiotisch! Wird es immer bleiben! Das Gesicht … die Brille … Ich will nicht mehr leben!«
    Ein junger Arzt sah herein.
    »Der Hubschrauber, Frau Doktor.«
    »Danke«, sagte Ruth. Der Arzt verschwand. »Fünf Minuten Ruhe, Mrs. Moran. Setzen Sie sich. Dann fühlen Sie sich ruhiger. Dann fliegen Sie. Mit Herrn Norton. Er muß Sie begleiten – bis nach Madrid. Und Sie bekommen so lange keine Erlaubnis mehr, Babs zu sehen, wie ich das bestimme. Haben Sie verstanden, Mrs. Moran?«
    Keine Antwort.
    »Ob Sie das verstanden haben?«
    »Ich habe es verstanden … Es tut mir leid, was ich getan habe …«
    »Mir auch«, sagte Ruth. »Aber wegen Babs.«
    »Was ist mit Babs? Was wird nun sein? Habe ich etwas getan, das die Genesung von Babs …«
    »Das weiß ich nicht, Mrs. Moran. Was heute geschehen ist, hat Babs weit zurückgeworfen. Ich werde alles tun, sie wieder auf die Beine zu bringen …«
    »Danke … Ich danke Ihnen, Frau Doktor.«
    Ruth gab keine Antwort.
    Sie sah aus dem Fenster der Abstellkammer, das ebenfalls zum Park hinaus ging. Ich folgte ihrem Blick.
    Auf dem Spielgerüst saß immer noch, erstarrt, Sammy, der sich Malechamawitz nannte.

32
    D ie beiden Mägde in dem Rolls-Royce sahen aus wie Zwillinge. Sie hatten beide die gleichen großen schwarzen Augen mit den dunklen Schatten von Überarbeitung und Müdigkeit darunter. Beide hatten das gleiche ungepflegte blauschwarze Haar. Sie hatten beide die gleiche hohe Stirn, die schmale Nase, den gleichen schönen, aber von Entbehrung und Armut sprechenden Mund, die gleiche ockerfarbene Haut, die gleichen Falten, Krähenfüße und Linien im Gesicht, wie großes Leid und große Sorge sie zeichnen. Beide trugen die gleichen grauen Kopftücher halb über dem wirren Haar, die gleichen verschlissenen grauen Blusen, die gleichen fleckigen braunen Röcke. Sie hatten beide die gleichen ockerfarbenen Beine, die gleichen staubigen Füße, die in klobigen Holzpantinen steckten. Sie sahen einander vollkommen

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