Niemand ist eine Insel (German Edition)
sehr vieler Geschäfte prangten gerahmt unsere Fotos – zwischen Miederwaren und Schweinsköpfen.
Auch Carmen war immer anwesend. Wir redeten miteinander. Wie gute Bekannte miteinander reden. Carmen war sehr optimistisch. Bracken sagte ihr weiter eine große Filmkarriere voraus. Sie war noch immer seine Geliebte.
Am Freitag, dem 24. November 1972 – bei meinem zweiten Besuch in Zaragoza –, war der Film abgedreht. Ein Teil des amerikanischen Stabes war schon mit den Kameras und allem anderen Equipment vorausgeflogen. An diesem Freitag nahm ich Abschied von Sylvia. Sie dankte mir mit Tränen in den Augen für alles, was ich für Babs getan hatte und noch tun würde. Das war auf dem Flughafen von Madrid, spät abends. Sie und Bracken flogen direkt nach Los Angeles. Sylvia steckte mir etwas in die Tasche. Es war, wie ich später sah, wieder ein Scheck über eine hohe Summe – für die Telefonate, die nun natürlich viel teurer sein würden. Ich stieg mit Sylvia in ihre SUPER-ONE-ELEVEN, denn es waren wieder Rudel von Reportern und Fotografen da, und es mußte auf jeden Fall der Eindruck entstehen, daß ich mit nach Amerika flog. Mit Hilfe des Captains Callaghan gelang es mir, die Maschine vor dem Start unbemerkt durch eine Luke zu verlassen. Weit draußen auf dem Flugfeld, in völliger Finsternis, stand einer der vier Detektive, die Joe zum Schutz Sylvias herübergeschickt hatte. Neben ihm stand der Regisseur Julio da Cava. Er wollte sich von mir verabschieden. Da Cava, der mit der nächsten Linienmaschine nach Los Angeles flog – er mußte den Film ja jetzt in Hollywood schneiden, bei den Ton- und Musikaufnahmen anwesend sein und den KREIDEKREIS vollenden –, sagte zu mir: »Wir werden einander nun lange nicht sehen. Ich wünsche Ihnen alles Glück. Verlieren Sie nie die Hoffnung und nie den Mut.«
»Okay«, sagte ich.
Die SUPER-ONE-ELEVEN, die inzwischen auf einer Piste stand, hatte Starterlaubnis erhalten. Sie rollte an, wurde schneller und schneller, hob ab, und Captain Callaghan zog sie steil nach oben in einen verhangenen Himmel. Kurz sahen wir noch die Positionslichter, dann war die Maschine in den Wolken verschwunden. Da Cava klopfte mir auf die Schulter und ging über das Flugfeld davon. Der Detektiv sagte zu mir: »Ich habe einen Wagen gemietet. Mister Bracken hat mir aufgetragen, Sie nach Barcelona zu fahren. Nachts. Damit nicht zuletzt noch etwas herauskommt. Das ist Ihnen doch recht?«
»Gewiß«, sagte ich.
»Danke, Sir«, sagte der Detektiv.
48
S ylvia?«
»Wer spricht?«
»Meine geliebte Sylvia?«
»Wer sind Sie? Nennen Sie Ihren Namen!«
»Mein Gott, wenn ich bloß deine Stimme höre, wird mir heiß und kalt. Ich liebe dich, Sylvia … Ich liebe dich mehr denn je … dich und unser Kind«, sagte die Männerstimme am Telefon.
Sylvia, in ihrem Haus am Mandeville Canyon in Beverly Hills, glitt auf eine Couch. Sie flüsterte: »Du … Sie … Sie sind Romero Rettland …«
Von diesem Telefongespräch erzählte mir Rod Bracken am 21. Januar 1973 einem Sonntag, im Salon ›unseres‹ alten Appartements 419 im Pariser HOTEL LE MONDE. Ein Schneesturm raste über der Stadt, so heftig, daß man die Häuser gegenüber nicht sah. Es schneite seit Tagen – auch in Heroldsheid. Dort hatte mich Bracken angerufen und mir gesagt, er müsse mich im LE MONDE treffen, es sei so vieles passiert.
»Mit Sylvia?«
»Ja.«
»Aber ich habe doch täglich angerufen, und sie hat mir nie gesagt, daß etwas nicht in Ordnung ist …«
»Sie wollte dich in Frieden lassen, so lange es ging. Jetzt geht es nicht mehr. Jetzt mußt du alles wissen, was hier geschehen ist. Du kannst nicht zu uns fliegen – wegen Babs, klar. Obwohl du das auch wirst tun müssen – bald. Aber noch nicht. Also Paris! Ich komme rübergeflogen …«
Er war herübergeflogen, ich war nach Paris gekommen, nun saßen wir einander gegenüber. In der langen Zeit zwischen Babs’ Rückkehr in die Sonderschule und diesem 21. Januar 1973 war ich in Heroldsheid gewesen. Ich hatte manche weitere, meist allerdings nur winzige Besserung bei Babs erlebt, und ich hatte mich immer enger an ›die im Dunkeln‹ angeschlossen. Da ich diese meine Niederschrift dem freundlichen Wärter, der bei mir Dienst tut, in Partien übergebe, damit sie schnellstens in Ihre Hände gelangt, schildere ich Ihnen keine weiteren Einzelheiten aus jener Zeit. Dies, was ich nun zu berichten habe, ist wichtiger …
»Rettland?« sagte ich am Nachmittag
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