Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
gesprochen. Wir folgten diesem Mann.
    In Paris war es kalt. Als wir aus dem Flughafengebäude traten, fuhr ein schwarzer Chevrolet vor. Wir stiegen ein, Clarissa und ich in den Fond, der Mann im Flanellmantel neben den Chauffeur. Der fuhr los, und wir waren gleich auf einer der Autobahnen, die nach Paris führen. Nach einer Viertelstunde bog der Chauffeur in einen Parkplatz ab. Hier wartete ein zweiter schwarzer Chevrolet.
    »Wiedersehen, Clarissa«, sagte ich. »Bis später.«
    »Bis später«, sagte sie.
    Ich ging nach vorn zu dem zweiten Chevy und öffnete den Schlag.
    »Gott sei Dank, daß du da bist«, sagte Sylvia und preßte sich an mich, und ich bemerkte, daß sie zitterte und weinte. »Ich habe Angst, Phil, Angst, so furchtbare Angst!«

16
    I n diesem zweiten Chevrolet saßen zwei Riesenkerle. Sie redeten ebenfalls kein Wort. Sie sahen nur dauernd nach, ob wir verfolgt wurden. Wir fuhren sehr schnell, aber trotzdem brauchten wir gute eineinhalb Stunden bis Neuilly hinaus.
    »Angst, warum? Ist etwas passiert?« fragte ich entsetzt.
    »Gar nicht, nein. Alles ging glatt. Rod und Babs sind längst im LE MONDE. Und bei dir?«
    »Auch alles glatt. Also wieso Angst? Wovor?«
    »Die Operation, Wölfchen«, schluchzte sie. »Die Operation … Ich … ich fürchte mich so sehr … und dann Babs …«
    »Was, Babs?«
    »Sie war unerträglich auf dem ganzen Flug … quengelig … aggressiv … unruhig und ganz verändert. So habe ich sie noch nie erlebt. Ich bin so furchtbar erschrocken. Sie war mir plötzlich ganz fremd. Was ist geschehen?«
    »Keine Ahnung. Nichts, mein Hexlein, sicherlich überhaupt nichts.«
    »Doch, Wölfchen, doch! Mir ist es unheimlich … Ob Babs mich jetzt nicht mehr mag, weil ich sie allein lasse?«
    »Unsinn. Ich glaube, sie hat Schnupfen. Vielleicht kriegt sie Grippe. Sie war am Nachmittag ganz heiß.«
    »Kinder kriegen leicht Fieber.«
    »Sie hatte gar keines, Clarissa hat gemessen.«
    »Na also, dann keine Grippe, nur Schnupfen! Nein, die war wütend, weil sie nicht mit mir durfte … Sie glaubt doch an meinen ›Urlaub‹, nicht wahr? Ach, Wölfchen, ich liebe Babs sosehr, und da ist sie so häßlich zu mir, knapp bevor ich diese schreckliche … diese schreckliche Operation habe! Ich fürchte mich so sehr vor ihr, Wölfchen …«
    Den ganzen Weg, mein Herr Richter, den ganzen elend langen Weg bis zu der Riesenstadt Paris und halb durch sie hindurch, und halb um sie herum, und bis hinaus zu Professor Delamares Klinik in der Rue Cavé am Bois de Boulogne hatte ich nur eins zu tun: Sylvia zu beruhigen, ihre Tränen zu stillen, ihr die Angst zu nehmen.
    Als wir dann endlich da waren und der eine Bulle vor das Milchglasfensterchen im linken Torpfosten trat, als das Licht aufflammte und dann die Gittertorflügel auseinanderrollten und wir hineinfuhren in diesen großen, verwachsenen Park, als wir dann vor dem Schlößchen aus dem Fin de siècle stoppten, da hatte ich Sylvia beruhigt, da weinte sie nicht mehr, da war sie mutig und sah der Zukunft zuversichtlich entgegen und brachte sogar ein gewisses Lächeln (ach, Françoise Sagan!) zuwege, als uns der Arzt vom Nachtdienst empfing.
    Ich verabschiedete mich von Sylvia im Zimmer des Arztes, der uns empfangen hatte, und ich sagte, daß ich am Abend dieses Tages (inzwischen war es längst Mitternacht vorbei) kommen würde, und daß ich mein Hexlein unendlich liebte, immer nur sie, nur sie allein. Was sie da als Abschiedsszene hinlegte, war kurbelreif. Der Arzt konnte seine Rührung nicht verbergen. Einer der Bullen fuhr mich zum LE MONDE.
    Ich hatte das Fenster an meiner Seite herabgedreht und atmete die kalte Nachtluft ein. Zum Teufel, Bracken sollte bloß die Fresse halten und mich in Ruhe lassen! Lieben sollte der Drecksack mich, der wußte ja nicht, was ich ihm abnahm, wovor ich ihn bewahrt hatte!
    »Voilà, Monsieur.«
    Ich merkte erst, daß wir da waren, als der Bulle schon den Schlag auf meiner Seite geöffnet hatte. Ich stieg aus und gab ihm ein ordentliches Trinkgeld, auch für die anderen. Er bedankte sich und fuhr ab, und ich ging in das gute, alte LE MONDE hinein, in dem ich schon so oft gewohnt hatte. Es liegt in einer Seitenstraße, drei Gehminuten von den Champs Élysées und ihren alten Bäumen entfernt, ganz nahe der Place de l’Étoile und dem Arc de Triomphe.

17
    M onsieur Kaven!«
    Mit weitausgestreckten Armen, ehrlich gerührt, das wußte ich, kam mir Lucien Bayard entgegen – einer der Nachtportiers. Wie

Weitere Kostenlose Bücher