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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Kettchen, nahm den Schlüssel. Der Regen prasselte gegen die Scheiben, der Sturm orgelte in den Bäumen.
    »Was ist das für ein Schlüssel?«
    »Dort!« Sie wies mit einer Hand.
    Ich sah mich um. Wo war hier ein – ach da, in der Wand, die zum Bad führte. Ich ging hin und öffnete die Tür des kleinen Stahlkästchens, das in die Mauer eingebaut und weiß bemörtelt war. Darin lag Schmuck in einem Plastiksack. Einem Plastiksack! Ein (kleiner) Teil von Sylvias sagenhaftem Schmuck! Sie hatte ihn tatsächlich hierher mitgenommen, diese unselige Irre, diese geniale Frau, ›Kind-Frau‹ hatte sie einer ihrer Liebhaber genannt, sie hatte es mir gesagt, ein kluger Mann muß das gewesen sein. Trotz aller Furcht, trotz aller Nervenkrisen hatte Sylvia heimlich Schmuck mitgenommen hierher, wo sie ihn doch nun ganz gewiß nicht tragen würde. War das zu fassen?
    »Gib …«
    Ich brachte ihr den Schmuck ans Bett. Sie hatte nun die heißen, schweißfeuchten Hände auf der Decke.
    »Laß fühlen …«
    Ich setzte mich wieder, öffnete den durchsichtigen Sack (das vorzügliche Züricher Schneideratelier LAUBE & BÖHI in der Bahnhofstraße hatte irgend etwas darin geliefert), und los ging’s.
    Das erste Stück.
    Die Hände tasteten es ab, zärtlich, sanft, gleitend.
    »Rubinring …«
    Zwei weitere Stücke.
    »… Rubinohrringe …«
    Nächstes Stück.
    »… Türkis … collier …« Persische Türkise und Brillanten, dachte ich, 100000 Dollar. »Wie … geht es … Babs?«
    »Ausgezeichnet«, sagte ich. »Hier ist das Türkis-Bracelet …« Und gab es ihr. Was sie betastet hatte, ließ sie auf die Decke fallen. Ein Armband – die Türkise auch aus Persien, die Brillanten Güteklasse ›Jaeger‹. 50000 Dollar. »Ausgezeichnet geht es Babs!« Es ging ihr nicht ausgezeichnet, aber es ging ihr besser als heute nacht. Doktor Lévy war zweimal dagewesen im Laufe des Vormittags. Er hatte einen Kollegen mitgebracht – einen Doktor Dumoulin. Sie hatten Babs fast eine Stunde lang untersucht, und dann waren sie, das Wichtigste, zu dem Ergebnis gekommen: Babs habe nur Masern, das glaubten die Herren zuletzt mit Sicherheit sagen zu können. Wenngleich untypische Masern mit Fremdsymptomen, die den kleinen Dr. Lévy nachts beunruhigt hatten. Das Fieber war etwas gesunken. Babs hatte Durst. Sie hatte ein wenig gegessen. Nun war der ganze Körper übersät mit roten Flecken. Aber eben doch bloß Masern! Unfaßbar nur, daß Babs nicht gegen sie geimpft worden war. Ich hatte es bis jetzt vermieden, mit meinem Freund, dem Président-Directeur Général des LE MONDE, Pierre Maréchal, zu reden. Morgen tue ich es, dachte ich, nun, an Sylvias Bett. Wie lange kennen wir einander? Ich sage ihm sogar die Wahrheit! Masern. Na wenn schon. Pierre wird eine Ausnahme machen und Babs im Hotel bleiben lassen.
    Nun ja, Masern eben, Dr. Lévy war immer überängstlich, das hatte ich doch gewußt. Dr. Lévy hatte eben wieder einmal unwichtige Nebensymptome überbewertet. Jetzt, nachdem er und Dr. Dumoulin Babs so gründlich untersucht hatten, konnte ich wenigstens beruhigt sein. Sylvia war gegen Masern geimpft, ich auch, Clarissa und Rod desgleichen. Mir fiel ein, daß ich sofort, wenn ich zu ihr kam (ich würde schon noch zu ihr kommen heute, verflucht, es war noch nicht einmal acht, und Sylvia konnte kaum mehr sprechen), Suzy fragen mußte, ob auch sie gegen Masern geimpft war. Oder sie als Kind einmal gehabt hatte. Der kleine Graf, Erbe jener Textilfabriken in Roubaix, ihr Verlobter, war mir egal. Aber wenn Suzy die Masern bekam, dann konnte ich wochenlang nicht mit ihr spielen.
    »Mein schöner Türkisring?«
    Er lag auf Sylvias Handteller. Sie betastete ihn lange. Persischer Stein. 20000 Dollar.
    »Einmalig auf der ganzen Welt …« Viele Schmuckstücke, die Sylvia besaß, gab es nur einmal in der Welt. Zum Beispiel diesen Türkisring. Ich wußte, wie gern sie in ihrem Schmuck wühlte – stundenlang oft. Mußte ein halber Coitus für sie sein. Selbst jetzt? Wer kannte sich schon aus bei dieser ›Kind-Frau‹? »Ich war böse zu Babs …«
    Ich gab ihr die Türkis-Ohrringe.
    »Böse?«
    »Im Flugzeug … gestern … Solitär …« Und da ich ihn nicht gleich in ihre Hand legte, laut, hysterisch: »Solitär!«
    »Hier, mein Hexlein.« Da war er. 45 Karat. Marquise-Schnitt. 1400000 Dollar. Güteklasse ›Jaeger‹.
    »Arme Babs … ich … so nervös … gib mir den Smaragdring … Mein Smaragd.« Sie preßte den Ring gegen

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