Niemand ist eine Insel (German Edition)
riesigen Geldforderung, zum Beispiel … Du weißt, daß Sylvia seit Jahren erpreßt wird … Oder er wollte eine Heirat erzwingen, oder …« Ich sah sie hilflos an.
»Die Wahrheit kommt an den Tag«, sagte Ruth. »Sie kommt immer an den Tag.«
»Ja«, sagte ich. »Aber wann?« Ich schlug auf die Zeitungen, die vor mir lagen. »Was mich wahnsinnig macht, ist, daß jetzt mit diesem Tod, mit dieser Verhaftung Sylvias, mit all diesem Unglück, das Babs bevorsteht, Millionen, viele Hunderte von Millionen gemacht werden!«
»Was meinst du?«
»DER KREIDEKREIS, das meine ich – ein Beispiel –, hat in der Herstellung fünfundzwanzig Millionen Dollar gekostet. Seit dem Mordtag ist der Film, ist Sylvia das Tagesgespräch der Welt. Gintzburger hat mir gesagt, daß die Kopierwerke auf der ganzen Welt nicht mit dem Ziehen neuer Kopien nachkommen. Ich weiß nicht, in wie viele Sprachen der Film schon synchronisiert ist! Joe meinte, nach diesem Mord – um ein Haar hätte er gesagt: Nach diesem Gottesgeschenk! – und nach diesem Sensationsprozeß, und ob Sylvia nun verurteilt wird oder nicht, würde DER KREIDEKREIS mindestens dreihundertfünfzig Millionen Dollar einspielen! Dreihundertfünfzig Millionen Dollar, Ruth! Das hat noch kein Film jemals fertiggebracht! Joe ist wie im Delirium … Widerlich …!«
»Trink noch etwas«, sagte Ruth und goß mein Glas noch einmal voll Wein. Wir hatten eine Kleinigkeit bei ihr gegessen. Die Gläser und die Flasche standen noch auf dem Tisch.
»Laß mich reden! Weißt du, wie viele kranke und hungernde und vor Hunger sterbende Kinder es in der Welt gibt?«
»O ja, Phil«, sagte Ruth.
»Und weißt du, wieviel im nächsten Jahr nach Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation insgesamt an Geld für diese Kinder zur Verfügung stehen wird?«
»Zweihundert Millionen Dollar, habe ich gelesen.«
»Zweihundert Millionen Dollar, richtig. Zweihundert Millionen für alle kranken, hungernden und vor Hunger sterbenden Kinder der Welt! Der Welt , Ruth! Wenn diese Kinder Glück haben – denn ganz sicher stehen auch noch diese zweihundert Millionen nicht zur Verfügung! Kobaltbomben sind viel billiger in der Herstellung geworden, aber immer noch recht teuer. Die Staaten müssen sparsam sein. Da gilt es, jede Ausgabe genauestens zu überlegen! Doch gut, nehmen wir an, zweihundert Millionen. Das bedeutet, daß dann jedem zehnten unglücklichen Kind – jedem zehnten, Ruth! – vielleicht – vielleicht, Ruth! – geholfen werden kann. Neun von diesen zehn Kindern sind heute und jetzt und auf alle Fälle schon zum Tod verurteilt. Neun von zehn!«
»Das ist doch sinnlos, Phil. Warum quälst du dich …«
»Laß mich reden, bitte! Ich habe gestern eine REPORT-Sendung im Fernsehen gesehen. Da wurden weitere Zahlen genannt. Voraussichtliche. Hochgerechnete. Bei wie vielen Zeitungen und Zeitschriften – die Illustrierten brauchen mehr Zeit, die kommen alle noch! – in der ganzen Welt, und bei Sylvia ist es wirklich die ganze Welt, es Auflagensteigerungen geben wird, wenn sie nun über die Geschichte berichten. Das ist phantastisch, Ruth! Das ist absolut phantastisch! Das sind, ganz niedrig geschätzt, achtzig Millionen Dollar, die da verdient werden! Dazu kommen die irrsinnig teuer gehandelten Fotos der Agenturen, die Reproduktionsrechte, die Unsummen, die allein für deutsche Fernsehberichte aus Nürnberg, Interviews mit mir oder Joe oder irgendwem bezahlt werden von Fernsehanstalten in der ganzen Welt! Dazu Sylvias alte Filme! Der Verleih hat sie auf Joes Geheiß in ganzen Staffeln angekündigt! Diese alten Filme kommen jetzt in Abertausende von Kinos! Was die einspielen werden! Ich rede nicht weiter … Weißt du, was herauskommt, wenn man das alles zusammenzählt, immer an der untersten Grenze? Neunhundert Millionen Dollar! Neunhundert Millionen Dollar! Das ist sogar was für die Bosse der multinationalen Gesellschaften! Warum sagst du nichts, Ruth?«
»Weil es dazu nichts zu sagen gibt«, antwortete Ruth. »Hör endlich auf, von Geld zu reden, bitte. Denkst du denn, das hat es noch nie gegeben? Das gab es immer, das gibt es jeden Tag – nur betrifft es nun zum ersten Mal dich, darum wachst du auf! Was ist mit diesem Doktor Nielsen?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Nun, er ist wirklich ein Staranwalt. Hast du ihn kennengelernt?«
»Im Hotel, ja. Er macht einen hervorragenden Eindruck.«
»Hat er irgend etwas gesagt?«
»Wieso?«
»Er muß doch schon mit Sylvia
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