Niemand ist eine Insel (German Edition)
welche Lagen kam die wegen irrsinniger Überanstrengung, weil sie, um durchzuhalten, Aufputschmittel nahm, Beruhigungsmittel …«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sylvia Moran Aufputsch- oder Beruhigungsmittel …«
»Stop!« sagte ein Anwalt, sich erhebend. »Aus! Das will Mister Gintzburger natürlich keineswegs sagen, verstehen Sie?« Der Anwalt stach mit einem Finger nach dem Reporter. Die Combo spielte ›I’m always chasing rainbows …‹ Geburtstagskind Hopkins rieb den Würfelbecher an seiner Garnitur.
»Aber immerhin … der Zusammenbruch bei der ›Oscar‹-Verleihung …« Der Reporter kam ins Stottern. »Es ist bekannt, daß Sylvia Moran lange Zeit danach im Santa-Monica-Hospital zubringen mußte.«
»Überarbeitung! Deshalb hat Mister Gintzburger Judy Garland als Beispiel herangezogen. Mrs. Moran war total überarbeitet. Sie hat das Santa-Monica-Hospital zum Zweck der Erholung aufgesucht. Selbstverständlich hat sie niemals Beruhigungs- oder Aufputschmittel genommen! Sie war überarbeitet, wie oft wollen Sie das noch hören?«
»Ich will es gar nicht mehr hören.« Der Reporter wurde aggressiv. »Was ich gehört habe, erklärt jedenfalls nicht …«
Der Anwalt, der aufgestanden war, schnauzte ihn an: »Was erklärt es nicht?«
Joe schüttelte betrübt den Kopf.
»Junger Mann, wo ist in Ihrer Generation Mitleid, wo ist Güte?«
Der Reporter war nun wütend: »Ich interviewe Sie , Mister Gintzburger. Es wurde vorher abgesprochen, daß ich jede Frage stellen darf!«
»Dann stellen Sie Fragen!« schrie der Anwalt. »Aber unterlassen Sie gefälligst Schlußfolgerungen und Vermutungen.« Dieser Anwalt sprach noch besser deutsch als Gintzburger.
Der Reporter, immer noch wütend, wechselte das Thema.
»Genau wie die ganze Welt Sylvia Moran kennt, kennen wir alle ihre kleine Tochter Babs. Eine Frage: Weiß Babs, was geschehen ist?«
Mir brach Schweiß aus. Ich mußte mein Glas schnellstens auf die Theke stellen, so sehr zitterte meine Hand plötzlich.
»Sie hat keine Ahnung«, sagte Joe.
»Keine Ahnung?«
Joe antwortete weich: »So lange Zeit haben wir es verstanden, absolut geheimzuhalten, wo Babs sich befindet, damit das Kind nicht dauernd von Reportern – nichts gegen Sie, junger Freund! – belästigt wird, damit es eine ruhige Kindheit hat. Jetzt zeigt es sich, wie richtig es war, daß wir Babs so beschützt haben. Daß wir sie in jenes geheimgehaltene Internat geschickt haben, weil sie erschöpft war vom jahrelangen Herumreisen mit der Mutter – so erschöpft, wie die Mutter selber es war durch übermäßige Arbeit. Babs braucht Frieden.« Ich mußte die Augen schließen. Dadurch wurde mir schwindlig. Ich hielt mich am Tresen fest. »Babs wird auch jetzt nicht erfahren – dafür lassen Sie uns nur sorgen! –, was man ihrer Mutter angetan hat. Das Kind ist in Sicherheit und unerreichbar für jeden Reporter.«
Ich tastete nach meinem Glas und trank, Whisky rann über das Kinn.
»Aber …«
»Ja, ja«, sagte Joe lächelnd, »ich weiß, das Gericht wird erfahren wollen, wo sich Babs aufhält. Nun, lieber junger Freund, wir haben es dem Herrn Untersuchungsrichter bereits aus freien Stücken mitgeteilt. Er hat nichts dagegen, wenn ich es nun auch Ihnen – und damit Millionen Menschen in aller Welt – mitteile …«
Meine Knie gaben nach.
»… denn der erste Weg, wenn sie wieder frei ist, wird Sylvia zu ihrer Tochter führen, und dann, dann kann die ganze Presse mit allen Fotografen und Fernsehteams der Welt dabei sein! Dann , sage ich!« Dramatische Pause. Anschließend sagte Joe, sich zurücklehnend, die Augen schließend, die Hände gefaltet, langsam und wohlklingend: »Babs befindet sich in dem Internat von Norristown – das ist eine kleine Stadt nordöstlich von Philadelphia. Und es ist natürlich eines der exklusivsten Internate der Staaten …«
»Noch einen Whisky«, sagte ich zu dem Barmann. »Dreifach. Pur. Schnell!«
58
S ieben Stunden später saß ich in Madrid Carmen Cruzeiro gegenüber. »Schweine«, sagte Carmen. »Ihr seid alle Schweine. Du bist auch ein Schwein. Bracken ist das größte.«
»Wir sind nur Angestellte, wir sind nicht die Super-Bosse, wir können nichts dafür, daß das mit Amerika schiefgegangen ist, Liebling«, sagte ich.
»Nenn mich nicht Liebling!« schrie Carmen. Dann fing sie an zu weinen. Wir saßen im Wohnzimmer ihres kleinen Appartements im Hotel CERVANTES an der Plaza de las Descalzares Reales, und es war schon wieder
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