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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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ahnen!«
    Vorsitzender: »Herr Doktor Holloway, wissen Sie, wo sich die wirkliche Babs Moran befindet?«
    Holloway: »Nein, Euer Ehren. Ich habe keine Ahnung.«
    Dies, mein Herr Richter, war das erste gravierende Ereignis während des Prozesses, von dem ich nichts erfuhr. Den Dialog bei der Vernehmung habe ich später Presseberichten entnommen.

    Und hier ist das zweite gravierende Ereignis:
    Die Vernehmung des Hauptkommissars Wigbert Sondersen war gerade beendet. Er hatte – was sehr ungewöhnlich ist, aber vom Gericht akzeptiert wurde, obwohl er als Polizeibeamter keinerlei Zeugnisverweigerungsrecht besaß – sich tatsächlich geweigert anzugeben, wo Babs sich befand, und zwar mit folgender Begründung: »Nach eingehenden Gesprächen mit Fachärzten bin ich der festen Überzeugung, daß eine Bekanntgabe des Aufenthaltsortes von Babs Moran für dieses Kind unabsehbare, nämlich unabsehbar negative gesundheitliche Folgen haben kann.«
    Damit war Sondersen entlassen.
    Rod Bracken trat vor. Seine Personalien wurden gerade geprüft, als ein Justizwachtmeister mit einem versiegelten Briefumschlag erschien, ihn dem Vorsitzenden überreichte und sofort wieder verschwand. Der Vorsitzende bat Bracken, sich einen Augenblick zu gedulden, öffnete das Kuvert, entnahm ihm mehrere Seiten, überflog sie, reichte sie den anderen Richtern. Es war sehr still im Saal geworden.
    Endlich sagt der Vorsitzende: »Mister Bracken, das Gericht hat soeben eine Nachricht von größter Bedeutung erhalten. Diese Nachricht betrifft Sie.«
    Unruhe im Zuschauerraum. Brackens Pokergesicht verzieht sich nicht ein bißchen.
    »Es erscheint mir unbedingt nötig, den Inhalt dieses Schreibens noch vor Ihrer Vernehmung Ihnen und dem Gericht zur Kenntnis zu bringen.« Der Staatsanwalt erhebt Einspruch und wird abgewiesen. »Dieses Schreiben ist von einem Kurier des Amerikanischen Generalkonsulats in München nach Nürnberg gebracht worden, damit es so schnell wie möglich in die Hände des Gerichts kommt. Das Schreiben stammt vom Direktor der Psychiatrischen Klinik ›Mount Hebron‹ in Los Angeles. Es ist die durch einen Stenographen aufgenommene Niederschrift der Aussage eines Patienten dieser Klinik. Die Aussage wurde gemacht in Gegenwart des Klinikdirektors, zweier Polizeibeamter und eines Richters. Sie alle haben mit ihrer Unterschrift bestätigt, daß die Niederschrift genau der Aussage des Patienten entspricht. Das Schreiben hat für das Gericht also offiziell gültigen Charakter und wird als solches behandelt. Mister Bracken, kennen Sie einen gewissen Roger Marne?«
    »Nein, Herr Vorsitzender.«
    »Ganz bestimmt nicht?«
    »Ganz bestimmt nicht, Herr Vorsitzender … Oder, Moment mal, dem Namen nach … ja, dem Namen nach! Roger Marne … Das war doch dieser Kriminelle, der meinen Freund Philip Kaven hier in Nürnberg zu erpressen versucht hat mit Fotos, nicht wahr?«
    »Ja, Mister Bracken, derselbe.«
    »Die Amerikaner haben ihn dann sofort in die Staaten geflogen, nicht wahr?«
    »Ja, Mister Bracken.«
    »Weil dieser Marne … ›Clown‹ oder wie das die Polizei hier nennt … weil dieser Marne schon mehrmals aus psychiatrischen Kliniken ausgebrochen war, in die er jedesmal kam, nachdem er einer Straftat wegen vor Gericht gestanden hat und für unzurechnungsfähig erklärt worden ist. Das ist doch so, wie?«
    »Das ist so, Mister Bracken. Aber persönlich kennen Sie diesen halbirren Kriminellen nicht?«
    »Herrgott, ich sagte doch schon, nein!«
    »Das ist sehr merkwürdig.«
    »Wieso ist das sehr merkwürdig, Herr Vorsitzender?«
    »Weil dieser Roger Marne erklärt, Sie sehr gut gekannt zu haben.«
    »Das ist doch eine Lüge … Was heißt ›gekannt zu haben‹?«
    »Roger Marne ist tot, Mister Bracken. Was ich hier habe, hat er wenige Tage vor seinem Ende – in klarer Verfassung – zu Protokoll gegeben. Er bat darum, daß alle vorhin genannten Zeugen anwesend waren. Er hatte von unserem Prozeß gelesen – wer nicht? Und er wollte dazu unbedingt noch etwas bemerken, und zwar etwas, das Sie betrifft, Mister Bracken.«
    »Mich? Lächerlich! Ich kenne den Kerl nicht! Ich kenne ihn nicht!«
    Der Staatsanwalt erhebt sich wieder, der Vorsitzende winkt ab.
    »Ich werde jetzt Roger Marnes Worte – sein Geständnis, seine letzten Worte, wie Sie es nennen wollen – verlesen. Ich bitte um Ruhe!« Es wird still im Saal. Der Vorsitzende liest: »›Ich, Roger Marne, geboren am zweiten Juli 1928 in Los Angeles, zur Zeit im

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