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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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lassen.«
    »Herr Wachtmeister!«
    »Jawohl, Herr Vorsitzender!«
    »Mister Bracken, ich erkläre Sie für vorläufig festgenommen.«
    »Kommen Sie, Mister«, sagt der Wachtmeister und nimmt Bracken am Arm. Bracken folgt ihm wortlos und ohne Widerstand. Er sieht niemanden im Gerichtssaal an.
    Dies, mein Herr Richter, war das zweite gravierende Ereignis des Prozesses, von dem ich nichts erfahren habe.

    Und hier endlich ist das dritte …
    Vor dem Vorsitzenden steht ein ruhiger, fast schüchtern wirkender Mann, der jedoch mit großer Bestimmtheit spricht: »Herr Vorsitzender, Hohes Gericht! Unmittelbar nach der Untersuchung des Toten durch den ballistischen Sachverständigen, Herrn Doktor Langenhorst, habe ich von meinem Kollegen erfahren, zu welchem Schluß er gekommen ist. Herr Doktor Langenhorst schloß auf einen Fernschuß der Angeklagten aus einer Entfernung von mindestens einem Meter. Die Art, in der er seine Ansicht begründete, leuchtete mir nicht ein. Infolgedessen habe ich mich beim Verteidiger der Angeklagten, Herrn Doktor Nielsen, gemeldet und ihm meine Besorgnisse und Bedenken vorgetragen. Herr Doktor Nielsen hat sich mit dem Herrn Staatsanwalt in Verbindung gesetzt, und dieser hat daraufhin mich als zweiten Gutachter zugelassen. Das alles ging zum Glück innerhalb von zwei Tagen ab, so daß ich den Leichnam noch in einem Zustand vorfand, der eine neuerliche Untersuchung gestattete.«
    Vorsitzender: »Wie lautet nun Ihr Gutachten, Herr Doktor Feddersen?«
    Feddersen: »Ich habe Gelegenheit gehabt, die Kleidung des Toten sowie ihn selber genauestens zu untersuchen. Mein Kollege schloß auf einen Fernschuß und übersah dabei das Fehlen des sogenannten ›Schmutzringes‹ auf der Kleidung, der än und für sich auch bei einem Fernschuß vorhanden sein muß. Die Tatsache, daß der ›Schmutzring‹ fehlte, verlangte zwangsläufig eine Erklärung. Zeugenaussagen und weitere Spuren waren nicht vorhanden. Mein Herr Kollege hat seine Diagnose nach der qualitativen Methode gestellt, die keinerlei Nahschußzeichen ergab. Also mußte er auf Fernschuß schließen. Aber der fehlende ›Schmutzring‹ auf der Kleidung des Toten! Ich versuchte, durch Kombination einen anderen Tatablauf zu erdenken, um auf diese Weise zu neuen Spuren – wir sagen auch Daten – zu gelangen.«
    Vorsitzender: »Das ist Ihnen gelungen?«
    Feddersen: »Ja, Herr Richter. Ich erhielt die Erlaubnis, mit der Angeklagten zu sprechen. Wenn sie auch beteuerte, sich an nichts erinnern zu können – was inzwischen von dem psychiatrischen Gutachter, Herrn Professor Doktor Eschenbach, als durchaus glaubwürdig und als Folge einer typischen Amnesie erklärt worden ist –, und wenn sie in ihrer Erinnerungslosigkeit die Ansicht vertrat, sie habe den Angeklagten getötet, so zeigte sie doch auf einem anderen Gebiet, daß ihr Erinnerungsvermögen intakt geblieben war.«
    Vorsitzender: »Auf welchem?«
    Feddersen: »Hinsichtlich ihrer Kleidung. Sie erklärte mit größter Bestimmtheit, eine flache Umhängetasche getragen zu haben. Wo war die geblieben? Sie findet sich nicht unter den Asservaten. Sie lag meinem Herrn Kollegen, dem Erstgutacher, nicht vor!«
    Vorsitzender: »Und Sie haben sie gefunden?«
    Feddersen: »Ja, Herr Richter. Ich fragte in dem Krankenhaus nach, in das die Angeklagte gleich nach Rettlands Tod, noch im Zustand des Schocks, gebracht worden war. Dort entdeckte man die Umhängetasche. In der Aufregung war sie übersehen und von einer Schwester beiseite gelegt worden.« (Der Sachverständige öffnet eine Aktenmappe, entnimmt ihr die Umhängetasche und demonstriert im folgenden an ihr). »Hier ist diese Tasche. Sie ist von der Angeklagten seinerzeit sofort als ihr Eigentum wiedererkannt worden. Sie sehen, die Tasche ist durchschossen. Sie sehen weiter … eine goldene Puderdose. Auch diese ist durchschossen. Hier bitte … die Tasche und die Dose … All das, Herr Richter, gestattete die Vermutung, daß der Schuß bei einem Handgemenge abgegeben worden sein könnte. Ich stellte zunächst mittels der quantitativen Methode der Spektrographie die Schußentfernung zur Handtasche fest und kam dabei auf eine Entfernung von drei bis höchstens fünf Zentimeter, also einen relativen Nahschuß! Nun ging ich von der Annahme aus, daß bei geringer Entfernung zwischen Tasche und Einschuß in die Brust des Rettland möglicherweise Metallsplitter der Puderdose in den Schußkanal eingebracht worden waren. Ich habe die Haut rund um den

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