Niemand ist eine Insel (German Edition)
Doktor Holloway. Sie verstehen alles, was gesagt wird?«
Holloway: »Ja, Euer Ehren.«
Vorsitzender: »Ist das Kind, das sich in Ihrem Internat aufhält, tatsächlich Barbara Moran, die Tochter der Angeklagten? Ich erinnere Sie noch einmal an die Folgen, die es für Sie haben kann, wenn Sie unwahre Aussagen machen.«
Holloway: »Ich bitte, die Frage zu wiederholen.«
Die Frage wird wiederholt.
Holloway: »Ich bedauere, sagen zu müssen, daß das Kind, das unter dem Namen Babs Moran in meinem Internat lebt, nicht die Tochter der Angeklagten ist und auch nicht Babs Moran hieß, bevor sie zu mir kam.«
Vorsitzender: »Erklären Sie das bitte.«
Holloway: »Es ist … Eine sehr schlimme Sache ist das … Als ich mich darauf einließ, habe ich natürlich niemals daran gedacht, daß ich eines Tages … Man hat mir gegenüber die Geschichte als völlig harmlos hingestellt …«
Vorsitzender: »Wer?«
Holloway: »Anwälte von SEVEN STARS. Sie erschienen eines Tages mit diesem kleinen Mädchen, das ein Zwilling der echten Babs Moran hätte sein können, bei mir und baten mich, das Kind in mein Internat aufzunehmen. Als Begründung gaben sie an, die echte Babs Moran sei zu alt geworden, um noch weiter mit ihrer Mutter dauernd auf Reisen zu sein. Man habe, sagten mir die Anwälte, Babs an einen geheimen Ort in den Staaten gebracht, in ein Internat, in dem kein Reporter sie entdecken könne. Zur zusätzlichen Sicherheit solle ich dieses Kind aufnehmen und als Babs ausgeben, falls irgend etwas passierte, das den Frieden und das ungestörte Heranwachsen der echten Babs stören könnte.«
Vorsitzender: »Wo ist dieses andere Internat?«
Holloway: »Das hat man mir nicht gesagt.«
Vorsitzender: »Wer ist das Mädchen, das bei Ihnen aufgenommen wurde, wirklich?«
Holloway: »Sie heißt Margaret Cleugh. Die Anwälte haben mir erklärt, daß Margaret schon vor Jahren gefunden worden war von Scouts der SEVEN STARS, die im ganzen Land auf der Suche nach einem Kind waren, das Babs Moran vollkommen glich.«
Vorsitzender: »Warum geschah das?«
Holloway: »Ich kann nur angeben, was mir die Anwälte sagten.«
Vorsitzender: »Natürlich. Also?«
Holloway: »Die Anwälte sagten, bei einer so großen Schauspielerin wie Mrs. Moran und ihrer so unglaublich bekannten und beliebten Tochter hätten sie Vorsorge treffen müssen für den Fall, daß der echten Babs Moran einmal etwas zustieß, daß sie krank wurde, und so weiter – vor allem aber, falls der Versuch unternommen wurde, sie zu entführen. Dies leuchtete mir ein.«
Vorsitzender: »Wie sollte eine solche Entführung verhindert werden?«
Holloway: »Eben durch eine zweite Babs! Sie hatten da einen komplizierten Plan ausgearbeitet … Das führt zu weit, denke ich …«
Vorsitzender: »Ja, Herr Doktor. Die Scouts fanden also ein Kind, das Babs wie ein Zwilling ähnlich sah?«
Holloway: »Ja, sie fanden es. In Wisconsin, glaube ich. Die Eltern waren arm. Für sie bedeutete es ein Geschenk des Himmels, daß ihr Kind von nun an die beste Pflege, Obsorge und Erziehung genießen sollte.«
Vorsitzender: »Aber der Entschluß, ein Kind einfach wegzugeben …«
Holloway: »Euer Ehren, diese Eltern waren sehr arm. Sie hatten noch vier Kinder. Margaret Cleugh war, als die Scouts sie fanden und sie in die Obhut von SEVEN STARS genommen wurde, vier Jahre alt. Man hat ihr immer und immer wieder gesagt, daß sie Babs Moran heißt und daß ihre Mutter die große Filmschauspielerin ist, so lange, bis das arme Kind im Laufe der Jahre es wirklich glaubte und die wahren Eltern vergaß. Man hat alles getan, um ihr ein wunderbares Leben zu ermöglichen.«
Vorsitzender: »Wußte Mrs. Moran von dieser Geschichte?«
Holloway: »Nein! Von dieser Geschichte wußte niemand mit Ausnahme der direkt an der Auffindung und Betreuung von Babs Beteiligten.«
Vorsitzender: »So daß Sie in gutem Glauben, die wahre Babs zu schützen, handelten, als Sie Margaret Cleugh aufnahmen?«
Holloway: »Gewiß, Euer Ehren. Verzeihen Sie: Margaret hatte zu dieser Zeit schon ihren richtigen Namen vergessen. Ihre Eltern waren vor mehr als zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Margaret glaubte wirklich, Babs Moran zu sein. Sie war sehr liebenswert und immer eine gute Schülerin. Dennoch … Niemals hätte ich mich auf eine solche Sache eingelassen, wenn ich hätte ahnen können, was sich hier in Nürnberg ereignen sollte … Aber das konnte ich doch nicht ahnen! Das konnte niemand
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