Niemand ist eine Insel (German Edition)
Schäden davonzutragen, wenn sie nun unvorbereitet von einem oder mehreren von Ihnen, meine Herren, mit der schrecklichen Situation bekanntgemacht wird. Um das zu verhindern, haben wir einer Gruppe von Werkspolizisten der Produktionsgesellschaft SEVEN STARS, die vor Tagen hier eingeflogen worden sind, das Recht gegeben, zusammen mit der örtlichen Polizei das Kind vor einem Zusammentreffen mit Fremden sowie das Gelände des Internats zu schützen.‹«
Lebhafte Unruhe im Saal.
»Meine Herren!« Dr. Clemens Holloway hielt sich an der Stange des Mikrofons fest, seine Stimme klang fast flehentlich. »So geht das nicht weiter. Sie machen ein Irrenhaus aus unserer kleinen Stadt!«
»Na und?«
»Shut up!«
»Mon Dieu, quel con!«
Alle schrien durcheinander.
»Ruhe!« Die Megafonstimme eines Polizisten im Saal.
Dr. Holloway sprach mühsam: »Wir müssen zu einer Einigung kommen. Sie sind doch Menschen, mein Gott! Ich weiß, Ihr Beruf ist hart. Aber wollen Sie die Verantwortung übernehmen für die überhaupt nicht absehbaren gesundheitlichen Schäden, die das Kind Babs unter Umständen erleidet, wenn es nun erfährt, was in Nürnberg geschehen ist?«
Jetzt wurde es wirklich still. Die Luft kochte. In den Scheinwerferbahnen tanzten Staubteilchen.
Dr. Holloway sah wieder auf die vor ihm liegende Erklärung und las vor: »Niemand von Ihnen darf das Gelände des Internats betreten oder mit dem Kind sprechen! Bitte, seien Sie doch um Himmels willen einsichtig, meine Herren! Drängen Sie nicht auf ein Zusammentreffen mit Babs, ich flehe Sie an!« Dr. Holloway rang die knochigen Hände, zerrte heftig an seinem Hemdkragen.
»Um unser Entgegenkommen zu beweisen, unterbreiten wir Ihnen folgenden Vorschlag«, las der Internatsleiter, schwerer und schwerer atmend. »Heute nachmittag, um vier Uhr, wird Babs mit anderen Kindern im Park spielen. Unter der Voraussetzung, daß niemand von Ihnen durch Lärm, Zurufe oder andere Störungen den Ablauf der Aktion gefährdet, gestatten unser Polizeichef, unser Amtsarzt, Herr Doktor Nielsen, der deutsche Anwalt von Sylvia Moran, Mister Gintzburger von SEVEN STARS und ich, daß – aus der Entfernung, von jenseits des Parkgitters! – Aufnahmen des Kindes gemacht werden!«
Beifall.
»Sollte es zu dem geringsten Zwischenfall kommen, haben Sie damit zu rechnen, daß Ihnen allen …«
Wütende Zwischenrufe.
»… Ihnen allen, tut mir leid, die Kameras beziehungsweise die Filme weggenommen werden, desgleichen die Tonbänder. Sie können sich dann bei Ihren unfairen Kollegen bedanken …«
Gleicher Tag, gleicher Ort, 16 Uhr nachmittags.
Das Internat lag in einem großen, alten Park und war geschützt durch hohe Schmiedeeisengitter. Auf der einen Seite dieser Gitter drängten sich Reporter, Fotografen, waren Gerüste für Kameras aufgebaut.
Nun kamen Kinder aus dem großen Gebäude, das weit entfernt hinter Wiesen und Baumgruppen lag. Fünf, zehn, zwanzig, dreißig Kinder. Sie begannen zu spielen – Ball, Drittenabschlagen, Verstecken. Sie sangen.
Bei einer Gruppe von kleinen Mädchen, die Ringelreihen tanzten, stand Dr. Holloway und wies mit dem Kinn leicht auf ein Mädchen. Das war unnötig, denn jeder hatte dieses Mädchen sofort erkannt. Mit den Tele-Linsen ihrer Kameras zogen Fotografen und Fernseh-Kameraleute dieses Mädchen, das weiße Schuhe, weiße Strümpfe und ein rotes Kleidchen trug, nah, groß, übergroß heran.
Die tanzenden Kinder sangen und lachten. Ein leichter Wind wehte ihre Worte zu den Reportern herüber.
»Doctor, doctor, must I die? – Yes, my child, and so must I!«
»Hast du das gehört?« fragte ein japanischer Reporter seinen Kollegen.
»Nein. Meine Mistkamera … was gehört?«
»Was die Kinder singen.«
»Was singen sie?«
Der Reporter sah zu Babs hinüber. Er antwortete, in japanischer Übersetzung: »Doktor, Doktor, muß ich sterben? – Ja, mein Kind, genau wie ich …«
Als die Bilder dieser lachenden, glückseligen, tanzenden Babs dann die Zeitungen und Illustrierten der ganzen Welt füllten, setzten Sie, mein Herr Richter, den Dr. Clemens Holloway auf die Liste der Zeugen, die Sie der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Nürnberg-Fürth, zusammen mit der Anklageschrift, übermittelten. Dr. Holloway wurde geladen, kam nach Europa. Am 7. Mai 1974 stand er vor dem Gericht, um auszusagen. Er war über die Folgen unwahrer Aussagen belehrt worden.
Danach gab es folgendes Gespräch:
Vorsitzender: »Sie sprechen deutsch, Herr
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