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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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so oder so nicht.«
    »Ja und?«
    »Wenn Sie also Ihre Aussage in Form einer absolut genauen, noch ins kleinste Detail gehenden Schilderung des wahren Sachverhalts niederschreiben, wenn der Untersuchungsrichter dann, dazu aufgefordert, dem Staatsanwalt und dem Verteidiger Kenntnis von der Niederschrift gibt, und wenn Sie dann, als Zeuge, auf diese Niederschrift, die sich in den Händen des Gerichts befindet, hinweisen können und sich – immer unter Berufung auf diese Niederschrift, viel kürzer natürlich – nicht einer Aussage entziehen, sondern im Gegenteil die Wahrheit aussagen, dann, Herr Kaven, könnte ich mir vorstellen, daß das – über die Sensation hinaus – dem Prozeß eine grundlegende Wendung gibt und Mrs. Moran unendlich viele Male mehr nützt als verstocktes Schweigen oder beharrliche Aussageverweigerungen. Dies ist meine Ansicht als Ihr Anwalt und als Mensch, der Mrs. Moran verehrt. Es ist dies keine Falle. Es ist der beste Vorschlag, der mir dazu einfällt, wie man Mrs. Moran am besten helfen kann.«
    Ich schwieg, aber nicht aus Trotz. Es hatte mich sehr beeindruckt, was er sagte.
    »Wenn Sie es wünschen, rede ich in dieser Richtung mit dem Herrn Untersuchungsrichter, und der wird dann über eine solche Niederschrift mit Ihnen reden. Wünschen Sie es, Herr Kaven?«
    »Ja.«
    Dr. Oranow hat mit Ihnen in diesem Sinne gesprochen, mein Herr Richter. Sie, mein Herr Richter, haben in diesem Sinne mit mir gesprochen. Ich habe Ihnen, mein Herr Richter, etwas versprochen, das Sie beruhigte: daß ich niemals lügen würde in diesem Bericht. Nach dem, was ich mit jenen im Dunkeln, den Namenlosen, Schwachen und durch Integrität und unendliche Humanität doch zuletzt, Sie haben es gelesen, Stärksten der Starken erlebt habe, kann ich nicht mehr lügen. Ich habe – den Anstoß dazu gab Herr Dr. Oranow aus ganz anderen Gründen, es scheint mir, daß der Anstoß zu einem Vorgang immer zu einem Ergebnis führt, das man nicht beabsichtigt hat – hier Zeugnis abgelegt, mein Herr Richter, und dies mit der Wahrheit, der reinen Wahrheit und nichts als der Wahrheit.
    Es ist Montag, der 22. Mai 1974, gegen 16 Uhr, da ich diese Zeilen schreibe. Fast diese ganze lange Niederschrift befindet sich seit vielen Tagen vor Prozeßbeginn in Ihren Händen, Sie haben sie weitergegeben an den Staatsanwalt, an den Verteidiger, an das Gericht. Abgeschnitten von der Welt, weiß ich nicht, wie die Kenntnis meines Berichtes auf alle, die ihn gelesen haben oder seinen Inhalt kennen, gewirkt hat, was geschehen ist inzwischen. Ich habe getan, was ich tun mußte.
    Morgen, am 23. Mai 1974, einem Dienstag, um 10 Uhr 30 soll ich nun endlich als Zeuge in dem Prozeß gegen Sylvia Moran auftreten.
    Es war meine Absicht, ihr in der geschilderten Weise zu helfen. Und noch einmal kam alles anders, denn, abgeschnitten von der Außenwelt, besaß ich doch keine Ahnung von allem, was sich in diesem Prozeß bislang schon ereignet hatte. Als ich es dann erfuhr, war es schon zu spät. Hier, zum besseren Verständnis, werde ich das, was ich zu spät erfuhr, vorwegnehmen. Es handelte sich im besonderen um diese drei besonders gravierenden Ereignisse …

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    A m Tage, nachdem Joe Gintzburger in jener Live-Fernsehsendung den angeblichen Aufenthaltsort von Babs bekanntgegeben hatte, war der Konferenzsaal des Hotels CLARION derart überfüllt, daß Männer, die keinen Platz mehr gefunden hatten, sich in der Halle, im Speisesaal und vor dem Hotel versammelten. Das CLARION ist das größte Hotel der kleinen Stadt Norristown, nahe Philadelphia. Die Männer waren Fotografen und Reporter aus aller Welt. Auf dem Podium des Konferenzsaals sprach ein weißhaariger, würdiger Herr, Dr. Clemens Holloway, Leiter des exklusiven Internats. Seine Worte, die er, mühsam um Beherrschung ringend, hervorbrachte, wurden von seinem Mikrofon aus überall hin weitergetragen …
    »… meine Herren … meine Herren …« Der Lärm, den die Versammelten machten, war so groß, daß Dr. Holloway resigniert schwieg.
    Endlich trat Stille ein.
    Kameras surrten, Verschlüsse klickten, als Dr. Clemens Holloway sich die Stirn trocknete (Scheinwerfer im Konferenzsaal verursachten enorme Hitze) und weitersprach: »Ich verlese jetzt eine Erklärung, die vom Polizeichef unserer Stadt, von unserem Amtsarzt und von mir entworfen worden ist: ›Babs Moran befindet sich in meinem Internat. Sie, die nichts von den Geschehnissen in Nürnberg weiß, läuft Gefahr, seelische

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