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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Für Monte-Carlo, nein, für die ganze große Region, in der man TMC und RMC empfangen konnte, war er seit vielen Jahren ein geradezu legendärer Begriff. Ich hatte tags zuvor erlebt – nachdem Sylvia und ich mit Babs und Clarissa und Rod Bracken eingetroffen und im HÔTEL DE PARIS abgestiegen waren –, daß jeder Mensch auf den Straßen Frédéric Gérard lachend grüßte, ihm zuwinkte – und Frédéric Gérard grüßte lachend, winkend, mit einem Scherz, einem Kompliment zurück. Männer, Frauen, Mädchen, Kinder – alle liebten sie ihn!
    Babs war, vom ersten Moment an, buchstäblich verrückt nach Fréderic, hatte im Hotelappartement mit ihm Pferdchen gespielt, war auf seinen Schultern jubelnd in der Halle erschienen, dann auf dem Casinoplatz vor dem Hotel – stundenlang hatten Fréderic und Babs miteinander gespielt. Auf die Frage, wo er wohne, hatte er mir geantwortet: »In Frankreich, Monsieur Kaven. Cap d’Ail. Sechs Minuten mit dem Wagen von hier.« Nun ja, Monaco ist ein sehr, sehr kleines Land.
    Ja, alle Menschen liebten Frédéric! (Kein Mensch nannte ihn Gerard, er hatte auch uns sogleich gebeten, ihn nur mit dem Vornamen anzureden.) Unser Zimmermädchen, das mich ersucht hatte, ihr doch ein von Frédéric signiertes Foto zu verschaffen, was ich bereits getan hatte, war blutrot vor Freude geworden. Sie hatte mir gesagt, am Abend der Sendung werde sehr schönes Wetter sein.
    »Sind Sie sicher?«
    »Absolut sicher, Monsieur! Frédéric hat es doch gesagt gestern abend. Und Frédéric steht in Verbindung mit Paris!«
    Sie hätte ebensogut sagen können: Mit dem Lieben Gott.
    Frédéric, ein Mann, zu Lebzeiten bereits sein eigenes Denkmal! In Hosen und Sporthemd pflegte er sonst vor die Kamera zu treten. Nun sah er sich im Smoking, neben Bracken und mir stehend, auf den Monitoren. Er kramte in seiner Brieftasche, dann zeigte er uns – der Regieraum war mit Speziallämpchen schwach erhellt – ein paar Fotos seines Sohnes. Er sagte vorsorglich gleich, daß es ein Sohn war und keine Tochter, denn bei einem so kleinen Kind kann man das nicht erkennen.
    »Genau wie der Vater«, sagte ich französisch.
    »Wirklich niedlich«, sagte Rod ebenso. »Wie heißt er?«
    »Frédéric«, sagte Frédéric.
    »Nicht wie Sie heißen, wie das Kerlchen heißt.«
    »Auch Frédéric, Trottel«, sagte ich englisch.
    »Shut up, you clever son of a bitch«, sagte Rod zu mir. »Mächtig stolz auf ihn, was?« sagte er, französisch, zu Frédéric.
    Der nickte, lachte lautlos und verdrehte die Augen.
    »Wie alt?«
    »Achtzehn Monate«, sagte Frédéric.
    Bracken summte leise: »You must have been a beautiful baby«, und Frédéric strahlte, aber Bracken sah mich dabei an, und also sagte ich zu ihm: »Du Scheißer.«
    »Bitte?« sagte Frédéric.
    »Wirklich ein wunderschönes Baby«, sagte ich.
    »Nicht wahr?« sagte Frédéric. Er war so nett.
    Ich sah die junge Frau neben dem Regisseur, seine Assistentin. Links vor ihr saßen zwei Männer, die für den Ton verantwortlich waren, vor ihren Reglern, die silbern leuchteten. Die beiden anderen Männer, rechts von der Assistentin, waren für das Licht verantwortlich. Einer der Tonmeister führte gerade eine viereckige Flasche zum Mund und trank lange. Ich kannte diese Art Flaschen und ihren Inhalt. Der Inhalt hieß SCHOUM und gilt in ganz Frankreich als Wunderheilmittel gegen jedwede Lebererkrankung. Zu kaufen bekommt man SCHOUM frei in Apotheken. SCHOUM kostet eine Kleinigkeit. Voilà, Frankreich, das Land der edelsten alkoholischen Getränke, das Land, das den Weltrekord an Lebererkrankungen aufweist. Voilà, SCHOUM, gewiß die meistgekaufte Medizin der Grande Nation. Soviel ich weiß, soll man SCHOUM nur morgens und abends trinken. Dieser Tonmeister schien zu glauben, daß massiver Genuß von SCHOUM schnellere Heilungschancen brachte.
    Für die MAZ-Speicherung, die nun lief, hatte sich Frédéric Gérard, Sonnenjunge des ganzen Midi, wie gesagt, einen Smoking anziehen müssen. Wir sahen ihn auf den sechs Monitoren, hörten ihn sprechen, ernst und auch dabei mit Charme, französisch: »Guten Abend, meine Damen und Herren in der ganzen Welt. Sie wissen, daß Ihre Souveräne Hoheit, Fürstin Gracia Patricia von Monaco, zusätzlich zu dem von ihr alljährlich veranstalteten Ball des Roten Kreuzes heute abend, an diesem fünfundzwanzigsten Juli 1969, eine weitere Gala gibt, deren Reinertrag und vor allem deren Spenden ausschließlich einem Projekt zugute kommen werden, das

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