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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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die Öffnung des Verbandes über dem Mund, als wolle sie ihn küssen. Ich wußte, daß sie oft ihren Schmuck küßte.
    »Jetzt werde ich schön sein!«
    »Du warst schon vorher die Schönste!«
    »Für dich! Aber die Schweine haben es verlangt! Die dreckigen Schweine! Sie glauben, sie können …«
    Ich gab ihr die Ohrringe, die zu dem Smaragdring gehören. Das waren enorme Dinger, die Ohren taten Sylvia oft weh, sagte sie mir, wenn sie diese Ohrgehänge auf einer Gala trug – je nun, ein Schmerz, der sich offenbar aushalten ließ.
    »Mußte einfach … sein … das Lifting …«
    »Natürlich, Hexlein.«
    »Großaufnahmen, Wölfchen … Katie ist blöde … noch einmal … schafft sie es nicht … besonders die linke … die linke … hilf mir doch !«
    » Das linke Augenlid.«
    »Ja … schlaff … konnte Katie nie richtig … wie ist mein Schmuck?«
    »Ein Traum«, sagte ich.
    Mit beiden Händen wühlte sie jetzt in Schmuck. Und versuchte, zu schreien: »Fernsehen, dreckiges! Idiotenkiste!«
    »Ja, mein Hexlein.«
    »Marlene geht nie vor dieses Mörderauge. Millionen Arschlöcher zählen die Falten …« Sie fuhr fort, das Fernsehen zu verfluchen und mit ihrem Schmuck zu spielen.
    Komisch, dachte ich. Dabei hat sie vor zwei Jahren einen solchen Erfolg im Fernsehen gehabt, einen, über den man wohl noch viele Jahre sprechen wird. Einfach phantastisch war das gewesen. Danach allerdings hatte ich einiges erlebt, einiges ziemlich Furchtbares. Mit meinem Hexlein …

20
    20  Sekunden vor 21 Uhr MEZ, am 25. Juli 1969, einem Freitag.
    Der Sekundenzeiger der großen elektrischen Uhr im Regieraum von TÉLÉ MONTE-CARLO rückte vor. Es ging zu wie bei einem Count-down auf Cape Kennedy. Sehr klein war dieser Regieraum, vollgeräumt mit Apparaturen. Fünf Männer und eine junge Frau saßen auf Drehstühlen vor dem langen Regietisch mit seinen vielen Lämpchen, Reglern und Schaltern, seiner Reihe von sechs Monitorschirmen.
    … 9 … 8 … 7 …
    Hinter den Monitoren befand sich eine wandfüllende Glasscheibe. Sie gab den Blick frei in ein Aufnahmestudio – das einzige Aufnahmestudio, das TÉLÉ MONTE-CARLO besaß. Es war so groß wie das mittelgroße Speisezimmer einer mittelgroßen Wohnung von Angehörigen des unteren Mittelstandes. Drei Männer in Leinenhosen und leichten bunten Hemden über den Hosen, Kopfhörer an den Ohren, standen hinter drei Kameras.
    Eine hellblaue Wand. Ein Tisch, wie ihn die Tagesschau-Sprecher im Fernsehen immer vor sich haben. Eine große Vase mit Baccara-Rosen darauf. Hier gab es keinen Platz für Scheinwerfer auf dem Boden. Zwei Dutzend von ihnen hingen, an Stahlstreben verschraubt, unterhalb der Studiodecke. Dieses einzige Aufnahmestudio der kleinsten Fernsehstation der Welt war nicht nur winzig, es war auch niedrig. Die Scheinwerfer hingen tief.
    Der Raum war ausgeleuchtet. Heiß mußte es da drin sein, dachte ich, heißer noch als hier.
    Ich stand neben Rod Bracken im Hintergrund des Regieraums. Wir hatten beide unsere weißen Smoking-Jacketts ausgezogen. Heiß. Heiß. Heiß. Hochsommer! Da konnte man in Monte-Carlo schon ins Schwitzen kommen.
    Ich sah ins Studio.
    Hinter dem schmalen Tisch, vor der blauen Wand, saßen nebeneinander Sylvia und Babs, damals sieben Jahre alt. Sie waren zuvor von Katie und Joe Patterson geschminkt worden, Sylvia hatte die beiden mit nach Monte-Carlo gebracht – aus Hollywood. Wir waren, dieser Sendung wegen, von Los Angeles nonstop bis Paris und dann hinunter nach Nizza geflogen. Sylvia trug ein gelbes Crêpe-Georgette-Kleid; da sie saß, sah man nur das Oberteil. Es war dicht bestickt mit weißen Pailletten, leicht ausgeschnitten vorn, mit eingearbeiteter Büste, sehr tief ausgeschnitten am Rücken. Das Kleid hatte einen wallenden Rock. Sylvia trug nur Brillantschmuck – den großen Solitär, Armband, Collier, Hänge-Ohrringe. Und Silberschuhe. Babs trug ein Organza-Kleid, das Röckchen ganz in Volant-Form gearbeitet wie in Spanien, weißer Stoff, bemalt mit roten, gelben und grünen Blumen und Blättern.
    Riesig groß und sehr glänzend waren Sylvias blauschwarze Augen, riesig groß wie die ihren waren die Augen des kleinen Mädchens. Glänzend blauschwarz war beider Haar. Sehr hell und glatt die Gesichtshaut von Mutter und Kind – diesem sorglosen, glücklich lachenden Kind, das jeder, der es sah, sogleich ins Herz schloß. THE WORLD’S GREATEST LITTLE SUNSHINE-GIRL …
    … 6 … 5 … 4 …
    Diese ganz und gar

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