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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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zucken.
    »… Wir leben im Zeitalter der einsamen Massen, der einsamen Vermaßten«, sagte Sylvia, indessen Babs staunend zu ihr aufsah. »Leider ist das so in unserer so entsetzlich seelenlosen Welt. Und in dieser Welt der Vermaßten – nicht der Welt ohnmächtiger Einzelner, meine lieben Freunde! – ist ein geistig behindertes Kind eigentlich überhaupt kein Mensch …«
    »Die doppelte Prozentbeteiligung an den Einspielergebnissen ihrer Filme setze ich jetzt für Sylvia durch«, flüsterte Bracken. Er schmatzte selig.
    »Ein solcher Mensch«, sagte Sylvia in dem einen und einzigen Aufnahmestudio von TMC, »wird höchstens geduldet, aber niemals anerkannt. Ich will niemanden anklagen! Es ist nur natürlich, daß der sogenannte Gesunde den Kranken und Behinderten rein instinktiv ablehnt …«
    Die Frau jenes Diplomaten im SPORTING CLUB weinte immer noch hemmungslos. Ihr Mann stand auf und führte die Schluchzende behutsam fort. Der Kommissar Alexandre Drouant, oben auf dem Dach, sah es durch sein Nachtfernglas. Und durch dieses Nachtglas sah er auch hinter den Kulissen und in den Gängen der Freilichtbühne langbeinige Mädchen in phantastischen Kostümen, braungebrannt und sehr wenig bekleidet, eine junge Negerin unter ihnen, auf ihren Auftritt wartend – die MONTE-CALRO DANCERS. In einem anderen Gang der Bühne sah Drouant Herren im Smoking und uniformierte Polizei. Er sah Bilder, an eine Wand gelehnt. Eine Versteigerung zugunsten der behinderten Kinder sollte nach Sylvias Rede auf dieser Bühne stattfinden. Zur Auktion kommen sollten Bilder von Picasso, Chagall, Modigliani, Léger und Buffet. Drouant dachte: Die Milliardäre hier werden die Preise in irrsinnige Höhe treiben. Sie müssen es tun! Keiner kann sich nachsagen lassen, er habe gegeizt. Wie klug überlegt von der Fürstin. Drouant dachte: Ich habe mir die Bilder vorhin angesehen. Wunderschöne sind darunter. Eines jener Liebespaare von Chagall – ihn liebe ich am meisten – ist auch unter den Gemälden. Das mit der Vase und den rosigen Rispen, den Liebenden in den Wolken, über ihnen die weiße Taube und der flötenspielende rote Knabe. Ich werde das Bild natürlich nie besitzen. Ich hätte es gerne besessen. Doch ist es besser, wenn es jetzt irgend jemand bekommt, der es nicht so liebt wie ich, wenn er dafür nur sehr viel Geld bezahlt für jene Kinder.
    Drouant dachte an seine fünf Kinder.
    Er sah hinunter zum Meer. Dort lagen die Boote, von denen zum Abschluß der Gala ein gewaltiges Feuerwerk in Gang gesetzt werden sollte – das durfte immer nur vom Wasser aus geschehen. Drouant wandte wieder den Kopf, nahm das Nachtglas von den Augen, sah Sylvia auf der riesigen Leinwand, hörte sie …
    »… nur entsprechende Einsicht und vor allem regelmäßiger Umgang mit behinderten Kindern könnte diese Abneigung korrigieren, ja ins Gegenteil verkehren. Lassen Sie es mich so sagen, meine Freunde: Erst das Kennen führt zur Liebe, das Nichterkennen aber zur Abneigung und Ungerechtigkeit …«

    »Jetzt wieder Zwo«, sagte in der kleinen Kabine von TMC der Regisseur, den Frédéric Michel genannt hatte.
    Frédéric hielt immer noch die Fotos seines kleinen Jungen in der Hand. Nun sah er sie wieder an – ich beobachtete ihn dabei, und man konnte an Frédérics Gesicht ablesen, was er dachte. Dies: Lieber Gott im Himmel, ich danke dir, daß mein Sohn gesund ist!
    Plötzlich bemerkte Frédéric meinen Blick. Er sagte leise zu mir: »Er ist mein ganzes Glück, Monsieur Kaven. Aber ich würde ihn genauso lieben, wenn er nicht gesund, sondern noch so schwer behindert oder gar unheilbar wäre. Sie denken doch ebenso, nicht wahr?«
    Ich nickte mechanisch. Ich dachte überhaupt nichts. Was ging mich Frédérics Kind an?
    Im Studio sah Sylvia direkt ins Objektiv von Kamera I. Sie sagte: »Wir haben in unserer menschlichen Gemeinschaft, scheint mir, noch sehr, sehr viel zu lernen, bevor diese Gemeinschaft das Prädikat menschlich verdient …«
    Babs sah nachdenklich zu ihrer Mutter auf.
    »Die Gesunden – die sogenannten Gesunden! – und die Behinderten haben viel mehr Gemeinsames, als man glaubt: Auch die Behinderten hungern nach Lebensfreude – wie die Gesunden. Auch die Behinderten möchten nicht nur Liebe empfangen, sondern Liebe geben, obwohl viele von ihnen das nur auf eine sehr schwer zu erkennende Weise zum Ausdruck bringen können …«

    Im Hotelzimmer des Schminkmeister-Ehepaars Katie und Joe Patterson stand ein Fernsehapparat. Die

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