Niemand ist eine Insel (German Edition)
gehirngeschädigten Kind zurechtkommen müssen … ein falsches Medikament während der Schwangerschaft … ein kleiner Zwischenfall bei der Geburt … zu langer Sauerstoffmangel im Gehirn … Oder, vielleicht erst Jahre später: Ein Sturz … ein Fall … eine Entzündung … eine Infektion … Niemand, niemand ist davor geschützt, daß seinem Kind nicht durch etwas Derartiges das Elend der Behinderung beschert wird …«
»Eins«, sagte der Regisseur in sein Mikro, während Sylvia noch diese Worte sprach. »Geh schnell ganz groß ran an das Kindergesicht und bleib ganz groß drauf!«
»… Sie wissen«, sagte Sylvia, überlebensgroß von der Leinwand des SPORTING CLUB herab zu den eintausendzweihundert Geladenen, »daß ich zu Ihnen spreche, um Sie, natürlich auch in meinem, aber in erster Linie im Namen Ihrer Hoheit der Fürstin zu bitten, nun Geld zu spenden. Darum bitte ich Sie alle, die hier in Monte-Carlo versammelt sind – und darum bitte ich auch Sie, meine Freunde in der ganzen Welt. Bitte, helfen Sie mit Geld! In jedem Land gibt es Organisationen, die sich um behinderte Kinder bemühen. Überweisen Sie Ihre Spende an diese Organisationen. Überweisen Sie viel, überweisen Sie wenig, überweisen Sie, wozu Sie in der Lage sind – jede, selbst die kleinste Münze hilft. Jede, die kleinste Münze, ist eine gute Tat. Ich bitte Sie von ganzem Herzen, meine lieben Freunde. Die Behinderten sind für uns alle nicht, wie viele meinen, nur von einer negativen, nein, sie sind in Wahrheit von einer positiven Bedeutung – weil wir durch unsere Haltung diesem Problem gegenüber beweisen können, worauf es am meisten ankommt: Daß wir füreinander und miteinander leben wollen, daß der Strom des Lebens uns alle trägt …«
Im Regieraum neigte sich der Tonmeister, der soviel ScHoum zum Heile seiner durch übermäßigen Alkoholgenuß geschädigten Leber trank, über ein Mikrofon und sprach: »Zentrale hier! Zentrale hier! Ich rufe alle drei Aufnahmewagen im SPORTING!«
Nacheinander meldeten sich drei Männerstimmen.
»Okay«, sagte der Tonmeister. »Technik bereitmachen. Wir werden in wenigen Augenblicken zu euch umschalten!«
Danach griff dieser Tonmeister wieder unter sein Pult. Ich sah, daß er diesmal eine andere Flasche hochhob, sie entkorkte, an den Mund setzte – eine Flasche Rotwein …
Mehr als eintausendzweihundert Menschen im SPORTING CLUB sahen Sylvias Gesicht auf der Leinwand.
Sie sagte: »… die unendlich große Bedeutung der Schwachen und Schwächsten in unserer Mitte besteht darin, daß sie allein durch ihre Existenz uns allen, allen Menschen auf der Welt, dazu verhelfen können, aus dem Chaos, dem Unheil, den Katastrophen, die wir hinter uns haben, in denen wir noch immer gefangen sind, endlich herauszugelangen und weltweit wie gute Brüder zusammenzukommen für alle Zeit. Meine Freunde, ich danke Ihnen …«
Leicht senkte Sylvia den Kopf. Eintausendzweihundert Menschen im SPORTING CLUB, siebenhundert, vielleicht achthundert Millionen Menschen in der Welt sahen: Tränen rannen über Sylvias Wangen. Schnell wechselte das Bild. Und da war Babs, deren lachendes, glückliches Gesicht nun größer und größer wurde, näher und näher kam, bis es zuletzt die ganze Leinwand, bis es zuletzt alle Fernsehschirme füllte …
Einige Sekunden Schweigen im SPORTING CLUB.
Dann setzte rasender Beifall ein.
In ihn hinein blendeten schon Scheinwerfer auf und erleuchteten die Szene taghell. Die Regie im Kontrollraum von TMC im Hause 16, Boulevard Princesse Charlotte, hatte umgeschaltet, die drei Aufnahmeteams im SPORTING CLUB hatten zu arbeiten begonnen und zeigten nun Bilder der Schönen, der Genialen, der Träger größter weltlicher und geistlicher Macht an den weißen Tischen, zeigten Palmen, üppig blühende Blumen und Sträucher.
Aus der Tiefe der Bühne kam eine Plattform mit einem ganzen Orchester emporgefahren. Musik setzte ein …
Ich sah drei verschiedene Einstellungen auf den Monitoren im Kontrollraum. Nun sprach der Regisseur mit den Kameraleuten im SPORTING.
Frédéric war schon in das Studio gelaufen. Bracken und ich eilten ihm nach. Die Scheinwerfer hier waren erloschen, es brannte die normale Deckenbeleuchtung. Die drei Kameramänner im Studio standen noch an ihren Apparaten. Sylvia war aufgestanden, desgleichen Babs.
»Ich danke Ihnen, Madame«, sagte Frédéric. »Sie waren wunderbar.« Er küßte ihre Hand. Ich sah, wie er eine tiefe Verbeugung machte und sich
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