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Niemand kennt mich so wie du

Niemand kennt mich so wie du

Titel: Niemand kennt mich so wie du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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neidische Zicken. Sie gewann die Kontrolle über ihre Füße zurück und wandte sich zum Gehen, doch ehe sie den Garten verließ, brachte sie doch noch zwei Worte heraus: «Es reicht!»
    Die Frauen blieben sprachlos zurück. Während sie durch die Küche und den Flur zur Haustür ging, hörte sie kein einziges Wort und kein Geräusch. Die Frauen schienen in diesem sehr unbehaglichen, schmerzlichen Augenblick erstarrt zu sein. Kurz vor der Haustür begegnete sie Nancy, die gerade von der Toilette kam.
    «Tschüss, Nancy.»
    «Tschüss, Lily.»
    Lily zerzauste ihr die Haare. «Sei nett zu deinem Bruder.»
    «Okay», antwortete Nancy, und im Stillen verabschiedete Lily sich endgültig von dem kleinen Mädchen.
    Dass sie nicht schlafen konnte, war das Schlimmste an dem «Klick». Jede einzelne Minute sah sie vorbeiziehen, sie schaute zu, wie die Dunkelheit sich in Licht verwandelte, hörte den Wecker klingeln und musste dann beide Füße fest auf den Boden stellen, mit brennenden Augen, schwerem Kopf und rasendem Herzen. An manchen Tagen aß sie nicht mehr als ein Stückchen Kuchen oder einen halben Muffin mit Clooney. Doch sie brauchte nur wenig, um durchzuhalten, und wenn sie dann wieder in der Arbeit war, wenn sie sich ein bisschen Zeit stahl, um sich mit ihm hinzusetzen, ging es ihr beinahe gut. Er hatte einen beruhigenden, entspannenden Effekt auf sie – als wäre er das menschliche Äquivalent zu Lavendel. Weder ihr Gewichtsverlust noch die dunklen Ringe unter den Augen blieben ihm verborgen, genauso wenig wie Eve. Sie versuchte andauernd, sie aus der Reserve zu locken, aber Lily wich den bohrenden Fragen aus.
    «Versuchst du vielleicht, mich fett aussehen zu lassen?», hatte Eve im Scherz gefragt, als ihr Lilys spindeldürre Figur zum ersten Mal aufgefallen war.
    «Sehr witzig.»
    «Was ist los?»
    «Ach, immer der gleiche alte Trott», sagte Lily in dem gleichgültigen Tonfall, den sie immer anschlug, wenn sie einer Konfrontation aus dem Weg gehen wollte.
    «Du isst nicht, wenn du im Stress bist», sagte Eve. «Damals vor den Prüfungen hast du gut sechs Kilo abgenommen, und Mrs.   Connolly hatte schon den Verdacht, du wärst magersüchtig. Dabei warst du nur ein dicker, fetter, supernervöser Sorgenkloß.»
    «Erwischt. Mrs.   Connolly hatte recht.»
    «Es liegt an ihm, stimmt’s?»
    «Nein», sagte Lily mit Nachdruck.
    «Lügnerin», erwiderte Eve, und Lily verließ das Zimmer.
    Clooney versuchte es auf die sanftere Tour. Sie saßen gemeinsam im Wintergarten. Lily war hundemüde und erstickte beinahe an den Fesseln, die ihr Mann immer straffer zog. Daher war sie ein wenig achtloser oder vielleicht auch unbekümmerter als sonst, mit Clooney bei Kaffee und Kuchen gesehen zu werden. Er teilte das Stück in zwei Hälften und reichte ihr eine. Sie lächelte, betrachtete den Kuchen und seufzte. Sie aß langsam und bemühte sich, nicht zu würgen. Sie war völlig übermüdet und extrem nah am Wasser gebaut. Die fröhliche Fassade bröckelte. Clooney sah ihre Hand zittern, und anstatt sie mit Fragen zu löchern, beugte er sich einfach zu ihr und nahm sie zärtlich in die Arme. Er küsste sie auf den Scheitel und befahl ihr leise zu schlafen. Sie legte den Kopf in seinen Schoß, und dort schlief Lily zum ersten Mal seit Wochen ganze zwanzig Minuten am Stück.

9
    Der steinige Pfad zur Freiheit
    SONNTAG, 29. JULI 1990 
     
    Lil,
    tut mir leid, aber ich hab dir doch gleich gesagt, dass Colm es bei dir versuchen wird. Ganz egal, was du gesagt oder getan hast, er war von Anfang an hinter dir her. Das ist mir aus dem Briefpapier förmlich entgegengesprungen. Was Ellen und ihr spanisches Schätzchen betrifft, ich hasse solche Mädchen. Sobald sie was Ernstes mit einem Typen anfangen, verschwinden sie von der Bildfläche. Total armselig. Ginas ältere Schwester Helen ist genauso. Sie lässt nicht nur sämtliche Freunde fallen, sondern gleich die ganze Familie. Gina hat es mir im Vertrauen erzählt, also sag es bitte nicht weiter, aber Helens letzter Freund hat sie total schlimm verprügelt und bei sich eingesperrt, und als ihr Vater zu ihm rüberging, um die Sache zu klären, hat Helen den Typen auch noch verteidigt. VÖLLIG BEKLOPPT! Irgendwann hat er sie dann verlassen, und jetzt ist sie wieder zu Hause, aber Gina meint, sie rennt durch die Gegend wie ein Gespenst. Sie tut und sagt kaum was und liegt die ganze Zeit nur rum. Ich habe vorgeschlagen, sie auf eine Hirnverletzung untersuchen zu lassen, weil ich neulich in

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