Niemand kennt mich so wie du
deine Seele zu retten, und was ist der Dank dafür?», pflegte sie zu fragen.
Lily war nie klar, welche Antwort ihre Mutter darauf erwartete.
Obwohl sie sich nicht sicher war, ob ihre Mutter das Paradebeispiel für einen guten Menschen war, so war sie doch ihre Mutter, und Lily liebte sie trotz all ihrer Fehler. Natürlich gab es auch gute Momente. May war kein schlechter Mensch. Sie wusste einfach nicht, wie das Muttersein funktionierte. Sie wollte für Lily nur das Beste, und sie wollte nicht, dass ihre Tochter die gleichen Fehler beging wie sie. Sie versuchte, eine gute Katholikin zu sein, doch gleichzeitig legte sie die Regeln so aus, wie es ihr in den Kram passte. Als Lily fünfzehn wurde, schob May Lilys äußerst schmerzhafte und langwierige Periode vor, um den Arzt dazu zu überreden, ihr die Pille zu verschreiben. Sie warnte Lily davor, Sex zu haben, und erzählte ihr, es sei eine Sünde, von der sich ihre Seele niemals erholen würde, doch gleichzeitig konnte sie beruhigt schlafen, weil Lily, wenn sie sich tatsächlich auf vorehelichen Sex einließ, es zwar auf Kosten ihres Seelenfriedens tun würde, aber nicht auf Kosten ihrer irdischen Zukunft. Sie war gleichermaßen stolz wie eifersüchtig, und ab und zu, wenn Lily etwas Kluges oder Witziges sagte, das sie zum Lachen brachte, nahm May ihre Tochter fest in den Arm.
«Danke, mein Sonnenschein», sagte sie dann. Mochte Lily auch keinen Vater haben, der sie liebte, keine Mutter, die dankbar für sie war, und auch keinen Bruder zum Streiten, sie hatte zumindest das: Danke, mein Sonnenschein.
Lily vergaß die Zeit, und als sie schließlich aus der Wanne stieg, war es beinahe halb elf. Sie band sich die Haare zusammen, zog eine alte Leggins und ein verschlissenes Ally-McBeal-T-Shirt an und schlüpfte in ihre Hausschuhe. Sie bezog das Ehebett und machte sich dann auf den Weg zu den Kinderzimmern, um nachzusehen, wessen Bett sie als Nächstes frisch beziehen konnte. Scott schlief wie ohnmächtig, und sie ging in Daisys Zimmer. Als sie fertig war, war Scott aufgewacht und lief wie ferngesteuert durchs Haus. Sie kümmerte sich eilig um sein Zimmer, ohne sich allzu gründlich umzusehen, aus Angst, etwas zu entdecken, das ihr nicht gefiel. Sobald die Kinderzimmer fertig waren, holte sie den Staubsauger und bearbeitete mit der Geschicklichkeit, Geschwindigkeit und Gewandtheit einer Spitzensportlerin die Böden. Im Anschluss wischte sie Staub und machte sich an die Toiletten. Als die Toiletten geputzt waren, war es bereits 13.00 Uhr und damit Zeit fürs Mittagessen ihrer Kinder. Irgendwann zwischen Staubwischen und Kloputzen war Scotts Freund Josh aufgetaucht. Sie entschied sich für ein einfaches Mittagessen, nur ein paar Käse-Schinken-Panini mit selbstgemachtem Krautsalat. Daisy übte immer noch und wollte am Klavier essen. Scott und Josh saßen im Wohnzimmer vor der Play-Station, was Lily gerade recht war.
«Danke, Lily», sagte Josh mit breitem Grinsen.
Lily tat es leid, dass sie nicht strenger darauf bestanden hatte, von den Freunden ihrer Kinder Mrs. Donovan genannt zu werden, als sie kleiner waren.
«Gern geschehen, Josh», antwortete sie und verließ eilig das Zimmer.
Sie überprüfte den Vorratsschrank auf Zutaten, die sie zum Kochen des Wochenvorrats brauchte, und schrieb einen Einkaufszettel. Joshs dämliches Grinsen erinnerte sie daran, dass sie frisches Basilikum brauchte, weil Scott neulich wegen einer Wette ihre gesamte Pflanze aufgegessen hatte. Die beiden waren völlig durchgedreht, weil sie Gras geraucht hatten, obwohl sie es natürlich vehement abstritten.
«Crack ist Dreck, Lily», hatte Josh gesagt.
«Wir sprechen aber nicht von Crack, Josh, oder? Wir sprechen von Gras.»
«Gras ist …» Er sah ihren grinsenden Sohn an, der immer noch auf der Anrichte saß und ihr Basilikum mümmelte.
«Has …», sagte Scott.
«… enfutter», beendete Josh den Satz, und sie brachen in wildes Gelächter aus.
Sie schickte die beiden in Scotts Zimmer und wandte sich an ihren Ehemann, der nur die Schultern zuckte. «Sie lassen doch nur etwas Dampf ab», sagte er. «Das haben wir alle gemacht.»
«Ja, Declan, aber wir hatten wenigstens genügend Anstand, es hinter dem Rücken unserer Eltern zu tun. Wir dürfen dieses Verhalten auf keinen Fall tolerieren, abgesehen davon, dass ich strikt dagegen bin, und das solltest du auch sein. Es gibt genügend Studien, die belegen, dass Cannabis und Hasch nicht so harmlos sind, wie wir das gerne glauben
Weitere Kostenlose Bücher