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Niemand kennt mich so wie du

Niemand kennt mich so wie du

Titel: Niemand kennt mich so wie du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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Koma.»
    «Aber es wird wieder», sagte Eve. Es war eine Feststellung, keine Frage.
    «Das kann ich dir nicht sagen», sagte Lily, und diesmal war es nur halb gelogen. Es war möglich, dass er überlebte, und es bestand kein Grund, ihr zu sagen, dass es höchstwahrscheinlich beim Stadium des Wachkomas bleiben würde.
    «Oh, gütiger Gott, Lily, er muss wieder gesund werden», lallte Eve. Dicke Tränen liefen ihr über das Gesicht. Ihr Kopf war so schwer wie eine Bowlingkugel, dann fielen ihr die brennenden Augen zu.
    Als sie eingeschlafen war, tupfte Lily ihrer alten Freundin behutsam das tränennasse Gesicht ab.
     
    Lautes Geschrei weckte Eve das nächste Mal. Lindsey Harrington im Bett gegenüber war eine senile Vierundachtzigjährige, die gerade eine Hüftoperation hinter sich gebracht hatte. Sie hatte einen Unfall in einem Park gehabt mit einem zufällig vorbeikommenden Berner Sennenhund namens Prince, den sie mit dem Pony gleichen Namens verwechselte, das sie als junges Mädchen besessen hatte. Lindsey hatte versucht, das verwirrte Tier zu besteigen. Der Hund buckelte, sodass sie mit gebrochener Hüfte auf der Erde landete und wüste Rufe nach dem Pferdemetzger ausstieß. Eve hörte die Stimmen der Schwestern, die versuchten, die laut schreiende Lindsey zu beruhigen.
    «Lassen Sie mich sofort los! Ich muss meine Handtasche suchen!»
    Eine Schwester erklärte der Frau ganz ruhig, dass sie ihre Handtasche nicht bei sich habe.
    «Ja! Weil sie mir gestohlen wurde! Ich bin von verfluchten Halunken umgeben.»
    «Niemand hat Sie bestohlen, Mrs.   Harrington», erklang eine andere Stimme. «Sie müssen still liegen. Sie sind gerade erst aus dem OP-Saal gekommen.»
    «Aus dem Saal?», sagte Lindsey Harrington und war augenblicklich wie ausgewechselt. «Oh, ich liebe es zu tanzen!»
    Eine der Schwestern hatte offensichtlich aufs Knöpfchen gedrückt, denn Lindsey Harrington verstummte und tauchte ab, und Eve folgte ihr.
     
    Als Lily nach Hause kam, war sie zu müde, um noch etwas zu Abend zu essen. Sie war bleich vor Erschöpfung, und ihr Mann hatte Mitleid mit ihr und ließ ihr ein Bad ein. Er half ihr in die Wanne, setzte sich auf den Toilettendeckel und sah ihr zu, während Lily sich ins heiße Wasser gleiten ließ.
    «So müde habe ich dich seit Jahren nicht gesehen», sagte er, und sie nickte.
    «Liegt es an deiner Schulter?»
    «Das wird wieder.»
    «Ich wollte dir nicht weh tun. Das weißt du.»
    «Natürlich weiß ich das.»
    «Wieso nimmst du dir nicht den Rest der Woche frei?»
    «Nein», sagte sie. Der leise Schrecken in ihrer Stimme entging ihm nicht.
    «Du tust verzweifelt alles dafür, nur um aus diesem Haus rauszukommen», sagte er traurig. «Es wird keiner sterben, nur weil du nicht im Krankenhaus bist.»
    Lily hatte gelernt, die Geringschätzung ihres Ehemanns für ihren Beruf und ihre professionelle Arbeitsmoral zu ignorieren.
    «Mir geht es gut», sagte sie. «Ich hatte lediglich einen langen Tag.»
    «Okay.» Einen Moment später fügte er hinzu: «Ich habe etwas für dich.» Er ging ins Schlafzimmer und kam mit einer kleinen Schachtel zurück.
    Lily trocknete sich die Hände ab und öffnete das Schächtelchen. Zum Vorschein kam ein wunderschönes goldenes Armband. Declan hielt zwar nichts von gemeinsamen Konten, doch wenn es darum ging, seiner Frau Geschenke zu machen, war er großzügig. Im Grunde war Lily sich bewusst, dass sie sich nur deshalb mit Sachen aus zweiter Hand und Selbstgenähtem durchmogeln konnte, weil sie erlesenen Schmuck dazu anlegte. Declan hatte die Angewohnheit, ihr Schmuck zu kaufen, wenn er ein schlechtes Gewissen hatte. Ihre Sammlung war beträchtlich.
    «Es ist wunderschön», sagte sie.
    «So wie du», antwortete er, «und das sollte ich dir öfter sagen.»
    Sie seufzte, lächelte und nahm seine Hand, und dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und nutzte den günstigen Augenblick.
    «Ich möchte dich um einen Gefallen bitten», sagte sie.
    «Was denn?», fragte er, legte ihr das Armband um und betrachtete es bewundernd.
    «Scott möchte den Sommer über bei deinem Vater in der Werkstatt arbeiten.»
    Declan löste den Blick von dem Schmuckstück und sah seine Frau mit gequälter Miene an. «Ich verstehe nicht ganz», sagte er.
    «Sie haben sich wohl darüber unterhalten, als er vor ein paar Wochen zum Abendessen bei ihm war.»
    «Und Scott will wirklich in dieser Werkstatt arbeiten?»
    «Scott kennt den Mann nicht, den du gekannt hast, Declan.»
    Declan fehlten die Worte.

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