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Niemand kennt mich so wie du

Niemand kennt mich so wie du

Titel: Niemand kennt mich so wie du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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Er wusste nicht, was er denken sollte. Er hatte immer eine grauenhafte Beziehung zu seinem Vater gehabt. Declan hatte seinen Vater während seiner gesamten Kindheit und Jugend als bösartigen, gewalttätigen Säufer erlebt. Sein Vater hatte irgendwann beschlossen, Declan auf die gleiche Art Disziplin beizubringen, wie er selbst es als kleiner Junge in einer katholischen Klosterschule außerhalb von Kildare erfahren hatte. Verstieß Declan in den Augen seines Vaters gegen die Regeln, verprügelte der ihn auf schlimmste und brutalste Weise. Declan versuchte verzweifelt, brav zu sein, doch das Problem war, dass die Regeln sich ständig änderten, je nachdem, wie viel sein Vater getrunken hatte. Meistens verletzte er Declan gerade so sehr, um ihn in Angst und Schrecken zu versetzen, ohne jedoch Verdacht zu erregen. Die katholischen Klosterbrüder waren gute Lehrmeister gewesen. Declans Vater war ein gequälter, wütender und verbitterter Mann, und seine Mutter war eine stille, abweisende Frau, die in einem anderen Universum lebte. Dieses Universum wurde von verschreibungspflichtigen Tabletten und der ungesunden Fähigkeit aufrechterhalten, sich vollkommen aus der Realität auszuklinken. Sie hatte einen eiskalten Mann geheiratet, und als sie einmal ein paar Gläser Wein zu viel intus hatte, gestand sie ihrem peinlich berührten fünfzehnjährigen Sohn, es sei ein Wunder, dass er überhaupt existierte, weil sich die wenigen Male, die sie mit ihrem Mann geschlafen hatte, an einer Hand abzählen ließen. Sie war das Hausmädchen ihres Mannes und die Mutter seines Kindes, und obwohl niemand als der Mann selbst sagen konnte, ob er sie liebte oder nicht, erhob er in den achtzehn Jahren, die sie zusammenlebten, nicht ein einziges Mal die Hand gegen sie. Sie sah weg, wenn ihr Sohn diszipliniert wurde, und tat so, als wäre alles in bester Ordnung und nicht völlig krank, selbst wenn ihr Mann richtig ausrastete.
    Als Declan dreizehn war, wurde er mit seinen Freunden Gar und Paul hinter dem Fahrradschuppen auf dem Schulhof von seinem Lehrer beim Rauchen erwischt. Pflichtschuldig erstattete dieser Bericht bei den Eltern. Gar bekam eine Woche Hausarrest. Paul bekam zwei Wochen Hausarrest und musste zur Beichte. Declan wurde in den Magen geboxt, ihm wurden die Kleider vom Leib gerissen, und er wurde in den Kohleschuppen am Ende des Gartens gesperrt. Dort blieb er vierundzwanzig Stunden, mit nichts als Stroh, um sich zu wärmen, ehe sein Vater ihn rausließ.
    «Na, Smokey Joe, immer noch Lust auf eine Zigarette?», fragte er dann und lachte, als Declan blau vor Kälte und mit Stroh zwischen den Pobacken ins Haus zurückrannte.
    Als er vierzehn war, trat sein Vater ihm so fest in die Hoden, dass er zwei Wochen lang ein Suspensorium tragen musste. Als er sechzehn war, kam er eines Tages nach Hause und sah seinen Vater am Küchentisch sitzen, vor sich einen großen Stock und Declans Zeugnis in der Hand. Declan konnte in sämtlichen Fächern mit einem B aufwarten, nur Irisch hatte er gerade so bestanden. Der Lehrer fand, dass Declan hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben war, und das genügte, um eine Tracht Prügel zu rechtfertigen. Declan roch den Whiskeyatem seines Vaters, und als der schreiend und tobend und geifernd den Stock packte, da schlug Declan ihm heftig mitten ins Gesicht. Sein Vater war zwar geschockt, aber immer noch viel stärker als sein Sohn. Declan trug ein gebrochenes Schlüsselbein und zwei angeknackste Rippen davon. Er saß im Wartebereich der Notaufnahme und hörte zu, wie seine Mutter der Schwester in der Notaufnahme erzählte, er habe Rugby gespielt, und während der Arzt ihn wieder zusammenflickte, schwärmte der ihm von seinen eigenen glorreichen Tagen auf dem Spielfeld vor.
    «Es ist ein harter Sport, aber das ist es wert», sagte er. «Im Augenblick fühlt es sich vielleicht nicht so an, aber du kannst im Handumdrehen wieder raus aufs Feld.»
    Declan saß nur stumm da, während seine Mutter dem Arzt lächelnd dankte und ihm erzählte, wie viel Talent Declan habe und wie stolz sie und sein Vater auf ihn seien.
    Hinterher ging er zu Lily. Sie war wie gewöhnlich allein, denn ihre Mutter arbeitete abends in einem Pub. Lily wusste sofort, was passiert war. Sie nahm ihn mit ins Haus, und dann lagen sie zusammen in ihrem Bett, und sie hielt ihn in den Armen, während er weinte wie ein kleines Kind. Er erzählte nie jemand anderem, was er zu Hause durchmachte, nur Lily wusste alles: jede Tracht Prügel, jede

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