Niemand kennt mich so wie du
besorgt aus (aufgewühlt trifft es vielleicht besser), und es lag eine komische Stimmung in der Luft. Jetzt bin ich ein bisschen traurig und weiß gar nicht, warum. Ich hasse dieses Gefühl. Ich hätte mich niemals so betrinken dürfen. Es ist erbärmlich. Ich glaube, ich bleibe den ganzen Tag im Bett. Auf mich wartet ein Riesenstapel Bücher, die ich gern lesen würde. Nur ich, mein Bett, Musik und Bücher.
Okay, um mich selbst aufzumuntern, hier meine beiden Topgründe, weshalb es toll ist, allein zu leben:
1. Unabhängigkeit
2. Frieden
Ich kann aufstehen, wann ich will. Ich kann essen oder auch nicht essen, was ich will. Ich kann kommen und gehen, wie es mir gefällt. Ich bin frei! Das ist ein tolles Gefühl. Kein Geschrei, kein Streit. Seit ich hier bin, war ich noch in keiner Messe. Als ich ankam, wollte ich zur Beichte, um loszuwerden, dass ich mit Declan geschlafen habe, und um zu versprechen, es nicht wieder zu tun (wenigstens den Sommer über), aber als ich vor der Kirche stand, bin ich nicht reingegangen. Ja, ich weiß, unfassbar! Ich hatte die Stimme meiner Mutter im Ohr: Wenn du bei einem Unfall stirbst, musst du immer ein sauberes Höschen und eine reine Seele haben, aber ich habe sie ignoriert – bis auf das saubere Höschen. Es freut dich sicher zu hören, dass mein katholisches Schuldgefühl langsam nachlässt, wenn auch nur ein winziges bisschen. Ich bekreuzige mich immer noch, wenn ich einen Sarg sehe, und als Colm vorhin wieder gegangen ist, habe ich ein leises Stoßgebet zum Himmel geschickt. Ich habe dafür gebetet, dass ich mich gestern Abend nicht völlig blamiert habe, und falls doch, dass alle anderen zu betrunken waren, um sich daran erinnern. Bis auf Colm natürlich. Er hat nämlich heute ein Spiel und wollte deshalb nicht so viel trinken. Was habe ich ihm bloß erzählt? Das nervt mich total! Ich will ihn auf keinen Fall fragen. Ich hoffe, es fällt mir wieder ein.
Die zwei Hauptgründe, warum es schrecklich ist, allein zu leben:
1. Ich vermisse dich.
2. Ich vermisse dich.
Ach! Und offensichtlich hat Colm mich von der Brücke nach Hause GETRAGEN! Er hat gesagt, ich wäre auf seinem Arm eingeschlafen. Ich habe mich tausendmal entschuldigt, aber er meinte, ich sollte mir keine Sorgen machen, es wäre schon okay, weil ich so leicht und klein bin. Er hat auf dem Weg sogar noch auf einen Burger und ein paar Fritten mit seinen Kumpels an der Pommesbude haltgemacht, während ich schlafend über seiner Schulter hing. Das ist mir so peinlich! Gott sei Dank hatte ich Jeans an. Ich trinke nie wieder was. Und das Komische an der Sache ist, dass ich eigentlich gar keinen Kater habe, aber vielleicht liegt das daran, weil ich jetzt wieder im Bett bin. Keine Ahnung.
Du hättest meine Wohnung an dem Abend sehen sollen, als ich eingezogen bin. Ekelhaft! Die Küche war die reinste Fettfabrik, und vom Bad will ich gar nicht reden, weil ich schon bei der Erinnerung daran kotzen muss. Es ist zwar immer noch ein Loch, aber wenigstens ein sauberes. Als ich das Klo geputzt habe, hätte ich fast einen Finger verloren, aber lassen wir das. Ich habe mir überlegt, dass ich mir das Studium mit Putzen finanzieren könnte. Das wäre echt praktisch. Ich könnte mir die Arbeitszeit selbst einteilen und bekäme das Geld direkt auf die Hand. Das Medizinstudium dauert fünf Jahre, und man verdient erst ab dem sechsten Jahr. Declan und ich haben beide keine finanziellen Rücklagen, und ich mache mir langsam echt Sorgen, wovon wir leben sollen. Vielleicht habe ich letzte Nacht ja darüber geredet. Was weiß denn ich!
Ich denke in letzter Zeit ziemlich viel über unsere Zukunft nach. Declan macht sich wirklich Sorgen, dass er die Zulassung nicht schafft. Das Medizinstudium ist sein Traum, und dafür will er notfalls sogar wiederholen. Wenn ich allein in Cork lande, sterbe ich. Alle glauben, ich würde mit links einen Studienplatz ergattern, aber ich bin mir da ehrlich gesagt nicht so sicher, und die Vorstellung, vielleicht gar keinen zu bekommen, finde ich nicht ärgerlich, sondern erleichternd. Seltsam, oder? Natürlich würde ich das zu Declan nie sagen, weil er sonst die Wände hochgeht, aber fünf Jahre sind eine lange Zeit. Bis wir auch nur einen einzigen Penny verdienen, sind wir beide Mitte zwanzig, und dann müssen wir die ganze Förderung zurückzahlen. Man kriegt scheinbar erst ab dem zweiten Jahr überhaupt ein Darlehen, und Ellen meint, es hinge davon ab, wie man im ersten Jahr abschneidet. Das habe
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