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Niemand kennt mich so wie du

Niemand kennt mich so wie du

Titel: Niemand kennt mich so wie du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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Informationen ging er in die Bibliothek, und als er nichts finden konnte, was ihm wirklich erklärte, wer er war und was er tatsächlich wollte, ging er zu einer Sexualberaterin. Die erzählte ihm, er sei eine Drei auf der Kinsey-Skala, was bedeutete, dass er sich zu Männern und Frauen gleichermaßen hingezogen fühlte. Aus der Schilderung seiner Vergangenheit zog sie den Schluss, dass er ein Bisexueller mit abwechselnden Neigungen war. Demnach konnte er sich nach dem Ende einer gleichgeschlechtlichen Beziehung durchaus in jemanden vom anderen Geschlecht verlieben und auch hier eine Partnerschaft eingehen, und genau das war geschehen. Er hätte sich ebenso gut in einen Mann verlieben können. Paul Doyle erkannte, dass das Geschlecht keine Rolle spielte, sondern nur die Person, zu der er sich hingezogen fühlte.
    In Simone hatte er einen Menschen gefunden, der ihn genau so akzeptierte, wie er war. Sie war nicht eifersüchtig, sie war nicht besitzergreifend, seine Vergangenheit war ihr egal und auch die Tatsache, dass er bei Männern einen Ständer bekommen konnte. Er war mit ihr zusammen, und sie glaubte an ihre Beziehung. Simone neigte nicht dazu, sich unnötig Sorgen zu machen. Sie lebte im Augenblick. «Wenn du glücklich bist, sei dankbar, nicht gierig», pflegte sie zu sagen. Sie verstand seine Zurückhaltung, was seine Familie und Freunde betraf, vor allem weil sein Coming-out damals einen solchen Wirbel verursacht hatte.
    Er war verunsichert und hatte Angst, seine Freunde würden ihn für einen Idioten halten. Was seine Eltern betraf, so hatte es zwischen ihm und seinem Vater in den letzten Jahren zwar so etwas wie eine Annäherung gegeben, doch das Verhältnis zu seiner Mutter war noch immer extrem angespannt. Sie tolerierten einander, doch sie war felsenfest davon überzeugt, dass alle Schwulen und Lesben in der Hölle landen würden, und das Einzige, was sie noch für ihren Sohn tun konnte, war, für ihn zu beten. Natürlich würde sie seine Heirat und die bevorstehende Vaterschaft als persönlichen Sieg betrachten. Sie würde behaupten, allein die Macht ihrer Gebete habe ihn vor sich selbst und der ewigen Verdammnis gerettet, und das machte ihn krank. Simone musste bei der Vorstellung lachen, aber sie kannte seine Mutter nicht.
    «Wenn es dir damit besser geht, kannst du ihr ja erzählen, ich wäre früher mal ein Mann gewesen», sagte sie.
    «Das würde ich wahrscheinlich auch tun, wenn du nicht schwanger wärst.»
    «Viel Zeit hast du nicht mehr», sagte sie, als er zum letzten Mal ohne sie nach Hause flog.
    «Ich weiß.»
    Er kehrte zu seiner Arbeit zurück und schob es weiter und weiter auf die lange Bank, weil er keine Lust hatte, von Haustür zu Haustür zu gehen und sich zu erklären. Paul war so introvertiert, dass ihm schon bei dem Gedanken daran ganz schlecht wurde. Und jetzt? Eve befand sich in einem fürchterlichen Zustand. Sie hatte eine Affäre mit Ben Logan, und er würde sie am nächsten Abend zusammen mit Gar und Gina besuchen. Lily war aus der Versenkung aufgetaucht, und Gina Lynch platzte vor Neugier und Vorfreude auf den ganzen Tratsch. Er würde definitiv nicht im Brennpunkt stehen. Dies war der perfekte Ort und der perfekte Zeitpunkt, um ihnen von seiner Vaterschaft zu erzählen und sie zur Hochzeit einzuladen.
    Ciao, Eve! Hallo, Lily!

6
    Wenn dies das Ende ist
    MITTWOCH, 18. JULI 1990
    11.30 UHR 
     
    Liebe Eve,
    ich liege gerade im Bett, während ich dir schreibe. Es war ziemlich heftig gestern Nacht. Wir sind alle noch im Club gelandet, und ich weiß nicht, wie ich nach Hause gekommen bin. Colm ist heute Morgen gegen zehn mit ein paar Scones vorbeigekommen. Er hat mir gesagt, er hätte mich nach Hause gebracht (nein, es ist nichts passiert) und ich hätte fast den ganzen Weg lang gesungen. Wir haben wohl noch eine Weile auf der Brücke gesessen und geredet. Ich habe ihm von Declan erzählt, von unserem Leben zu Hause und von dem Plan, nach Cork zu gehen. (Ich kann mich an kein einziges Wort erinnern!) Ehe er ging, umarmte er mich und sagte mir, ich hätte ja keine Ahnung, wie toll ich wäre, und er hofft, ich bin eines Tages in der Lage, es auch zu sehen. Das war mir so peinlich! Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Er meinte, Declan hätte riesiges Glück mit mir, und er hofft, Declan wüsste das zu schätzen. Ganz schön frech, finde ich, aber weil ich ja nicht mehr wusste, über was wir am Vorabend alles geredet hatten, konnte ich nichts darauf antworten. Er sah

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