Niemand kennt mich so wie du
für sie sterben. Lily wusste, wie es sich anfühlte, wenn man sich mit der Frage quälte, wie und warum und was sie hätte tun können oder müssen, um Dinge zu ändern, die nicht in ihrer Macht lagen. Arme Fiona. Sobald sie ihr gequältes Gesicht sah, stieg Mitleid in ihr auf. Eve hatte immer schon getan, was sie wollte, ohne sich darum zu scheren, was irgendjemand anders davon hielt, und diese Frau bezahlte den Preis dafür. Natürlich tat auch Eve ihr leid, aber eigentlich wollte sie jedes Gespräch über Ben vermeiden, weil es ihr kaum gelingen würde, Mitgefühl aufzubringen, ohne Fionas Gesicht vor sich zu sehen. Lily hielt den Kopf gesenkt, doch ihre Sorgen waren unbegründet, denn Fiona starrte weiter ins Leere.
Declan freute sich auf die Dinnerparty, zu der sie eingeladen waren und die Lily völlig vergessen hatte.
Sie hatte nichts anzuziehen, sie war müde, und Alice Gibson, die Gastgeberin, hatte von Anfang an nie mit ihrer Meinung über Lily hinter dem Berg gehalten. In den Augen von Professor Alice Gibson stand Lily weit unter ihr. Sie war ein hübsches kleines Ding, das in Rosarot gekleidet durchs Krankenhaus flatterte. Alice war eine seriöse Akademikerin. An sich keine hässliche Frau, hatte sie allerdings die bullige Figur ihres Vaters geerbt, trug auf den Hüften ein paar Pfund zu viel mit sich herum und kämpfte mit einem Damenbart. Sie hatte keine Zeit für Smalltalk oder Witzchen oder dafür, das Ego der Männer zu streicheln, indem sie über die dämlichen Witze lachte, die die meisten machten, wenn sie ein paar Gläser zu viel getrunken hatten. Alice Gibson war eine ernsthafte Frau und hochintelligent, aber so faszinierend sie auch war, wenn sie über Medizin dozierte, war sie auf gesellschaftlichem Parkett fürchterlich langweilig. Als Lily irgendwann zu erkennen gab, dass sie nicht weniger klug war, verwandelte sich Alices Gleichgültigkeit in Eifersucht. Sie war eine schlechte Gastgeberin, die keine Gelegenheit für Unhöflichkeiten ausließ.
«Ich möchte da wirklich nicht hin», gestand Lily und pickte in ihrem welken Salat herum.
«Wir können unmöglich am Tag der Einladung absagen – das wäre unhöflich.»
«Ganz klasse», sagte Lily.
Declan lachte. «Alice hat dich doch nicht mit Absicht mit Wein bekleckert.»
«Doch, das hat sie. Außerdem ist sie mir zweimal auf die Zehen gestiegen und hat mich, wann immer sie konnte, aus dem Gespräch ausgegrenzt.»
«Sie hat einfach im gesellschaftlichen Umgang nicht besonders viel Talent.»
«Sie ist ein Miststück.»
«Sie ist Rodneys Frau, und Rodney ist ein guter Freund, und deshalb gehen wir hin und werden uns sehr amüsieren», sagte er fröhlich.
Lily wusste, dass er soeben ein Machtwort gesprochen hatte, mochte es noch so freundlich verpackt sein.
«Scheibenhonig», sagte sie, und er lächelte.
«Du solltest das goldene Armband tragen, das ich dir geschenkt habe», sagte er.
«Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich ansonsten nichts trage», sagte sie und seufzte.
Alice würde wieder etwas tragen, das altbacken aussah, aber unübersehbar teuer war. Lily ging im Geiste ihre mehr als übersichtliche Garderobe durch und versuchte, etwas zu finden, was Alice noch nicht an ihr gesehen hatte, doch die vorzeigbaren Stücke kannte sie alle schon. Scheibenkleister . Sie hatte weder das Geld noch die Zeit, sich etwas Neues zu kaufen, und so entschied sie sich für ein schlichtes rotes Kleid, das sie schon unzählige Male getragen hatte. Sie war sich sicher, dass sie Alice damit einen Gefallen tat. Sie hatte sich bereits bei früheren Gelegenheiten die Bemerkung nicht verkneifen können, dass Lily offensichtlich sehr an diesem Kleid hinge, aber Lily fühlte sich wohl darin, es stand ihr, und – noch wichtiger – es kam frisch aus der Reinigung.
Sie ließ Declan allein sitzen, weil er noch nicht fertig war, und kehrte auf die Station zurück. Unterwegs lief sie Adam in die Arme.
«Bist du auch zu diesem Dinner heute Abend gezwungen worden?», fragte er.
«Ja. Du?»
Er nickte. «Alice hat mir per Mail mitgeteilt, dass sie mich neben Tracey Barber platzieren wird.»
«Wer ist Tracey Barber?»
«Ich habe keine Ahnung, aber sie ist wohl eine politische Analystin, und ich werde sie lieben», sagte er, und Lily lachte.
«Also, wenn sie Alice nur im Entferntesten ähnelt, dann ist sie bestimmt eine bissige Bulldogge.» Er kicherte. Adam hatte in etwa genauso viel für Alices Wichtigtuerei übrig wie Lily.
«Ich frage mich,
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