Niemand kennt mich so wie du
schwul!», sagte Gar.
«Ich bin bisexuell.»
«Aber du hast gesagt, du wärst schwul!», beharrte Gar.
«Ich habe mich getäuscht. Ich bin bi.»
«Dich getäuscht? Wie soll das denn gehen? Ich … Die ganze Zeit? Ich bin …» Gar sah zuerst seine Frau an, die nur die Achseln zuckte, und dann Clooney und Eve. «Ich kapier das nicht.»
«Ich weiß nicht, was ich sagen soll.» Paul war nicht gut darin, sich zu erklären. Er besaß weder das Talent, noch sah er die Notwendigkeit. Es ist, wie es ist.
«Und wieso erzählst du das erst jetzt?», wollte Gar wissen.
«Weil er nicht mehr ganz dicht ist», sagte Eve.
«Wahrscheinlich.» Paul lächelte Eve an. «Ich war acht Jahre mit Paddy zusammen.»
«Und er hat um sein Coming-out ein Riesentheater veranstaltet», versuchte Gina ihm zu helfen.
«Ich will nichts mehr hören!» Gar sah von seinem angetrauten Eheweib zu Eve, dann zu Clooney und schließlich zu Paul. «Du bist mein Freund. Wieso weiß ich nichts davon?»
Gar wusste wirklich nicht, was er davon halten sollte. Als sie jünger waren, hatte er zu Paul aufgeschaut. Er war der Typ, dem die Mädchen ständig hinterherliefen, und seine Freundinnen waren durchweg hübsch. Paul war verschwiegen und ließ nie ein einziges Wort über seine Eroberungen fallen, aber es war trotzdem klar, dass er jede haben konnte, wie ein Rockstar. Als er dann gestand, dass er schwul sei, verstand Gar die Welt nicht mehr, und es machte ihm lange Zeit gehörig zu schaffen. War Paul überhaupt mit diesen Mädchen zusammen gewesen? War er nur mit ihnen zusammen, um sein Gesicht zu wahren? Und falls er Mädchen nicht mochte, wie konnte es dann sein, dass er so gut mit ihnen umgehen konnte? Paul war so verschlossen und Gar dermaßen schockiert, dass sie im Grunde nie richtig darüber gesprochen hatten. Jeder zog es aus persönlichen Gründen vor, lieber nicht über Pauls Sexualleben zu sprechen.
Gina hatte jahrelang versucht, Paul näherzukommen, aber er blieb verschlossen wie eine Auster. Er mochte sie, sie war nett, aber sie war die Frau seines Freundes, nicht seine Freundin. Am Anfang hatte seine Zurückweisung Gina verletzt, aber nach ein paar Jahren hatte sie gelernt, Paul und seine Marotten zu akzeptieren. Er ist, wie er ist.
«Ich habe mir vor dir das Oberteil ausgezogen!», sagte Eve, und Paul nickte lächelnd.
«Ja, hast du», sagte er.
Clooney blieb stumm. Er kannte Paul nicht besonders gut, und es war ihm nicht wichtig, ob er nun schwul war oder bisexuell. Er freute sich einfach, dass die Neuigkeiten von seiner Schwester ablenkten.
«Gratuliere», sagte er schließlich, als alle verstummt waren.
Paul bedankte sich.
Die anderen schlossen sich den Glückwünschen an.
«Ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen», sagte Gina.
«Ich fasse es nicht, dass du Vater wirst», sagte Gar.
«Ich auch nicht.» Pauls Augen füllten sich mit Tränen, und einen Moment lang sonnten sich seine Freunde in seinem Glück, bis er sich unwohl fühlte und das Thema wechselte. Er erkundigte sich nach Lily, und Gina war augenblicklich wieder Feuer und Flamme.
«Wie ist sie so?», wollte sie wissen.
«Genau wie früher», antwortete Eve.
«Und Declan?», fragte Gina.
«Weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht gesehen», sagte Eve. Und ich will ihn auch nicht sehen.
«Aber er praktiziert doch hier», sagte Gina.
«Ja.»
«Seltsam.»
«Eigentlich nicht.»
«Und hat sie gesagt, warum sie den Kontakt zu uns allen abgebrochen haben?», wollte Gar wissen.
Eve hatte eine ziemlich genaue Ahnung, weshalb die beiden damals verschwunden waren – jedenfalls glaubte sie es –, aber ebenso gut hätten eine Million andere Gründe eine Rolle spielen können. Das war alles so lange her. Vergangenheit ist Vergangenheit. Lasst es gut sein. Sie gab keine Antwort.
«Ist sie da?», fragte Paul.
«Sie hatte vor zwei Stunden Feierabend», sagte Clooney mit einem Blick auf die Uhr. Mittlerweile waren sie schon mehr als eine Stunde da. «Also, ich glaube, wir gehen jetzt besser. Es war ein langer Tag für Eve.»
Eve bedankte sich für den Besuch, und Clooney ließ sich nach Hause fahren.
«Das sind aber nette Leute, Häschen», sagte Anne, nachdem sich sämtlicher Besuch verabschiedet hatte.
«Danke, Anne.»
«Bis auf den Sonderling natürlich. Wissen Sie, wie man solche Leute zu meiner Zeit nannte?»
«Nein.»
«Nimmersatts.»
«Ach was?»
Lindsey war eingeschlafen und Beth ins Fernsehprogramm versunken.
«Aber es muss ja alles
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