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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht beachtend, nahm er Susanne bei der Hand und zog sie aus der Küche. Ärgerlich sah Jim ihnen nach.
    »Nichts gönnen sie einem«, brummte er. »Man sollte den Kerlen Blausäure ins Essen tun …«
    Susanne bekam eine weiße Schürze zugeteilt und wurde dann an Deck geführt, wo Pits ›kaltes Büfett‹ stand.
    »Nicht viel mit den Passagieren sprechen«, flüsterte ihr Pit ins Ohr. »Die horchen einen gerne aus. Es darf keiner wissen, daß du ein ›Blinder‹ bist! Immer nur rein geschäftlich, verstehst du?«
    Susanne nickte und sah zum Sonnendeck hinauf. Dort saßen jetzt in der abendlichen Kühle nur wenige Personen und schauten auf das dunkle Meer hinaus. Ein alter Herr mit weißen Haaren lag in einem Liegestuhl an Deck, die Beine in dicke Decken gewickelt und beobachtete den müden Flug der letzten Möwen.
    »Der hat vorhin einen Martini bestellt. Paß auf, daß du nichts daneben schüttest!« raunte Pit ihr leise zu. Dann übergab er ihr das Tablett. »Hals- und Beinbruch, Kollege Stewardeß«, sagte er lustig.
    Das Glas mit dem Wermut vorsichtig durch die schlingernde Bewegung des Schiffes balancierend, näherte sich Susanne dem alten Herrn. Mit einem kurzen, freundlichen Kopfnicken stellte sie das Glas auf einen Klapptisch an der Seite des Liegestuhls.
    »Ihr Martini, mein Lieber«, sagte sie. Der alte Herr hob den Kopf. In seinen Augen leuchtete es auf.
    »Besten Dank, mein Fräulein.« Er richtete sich auf. »Sie sind neu an Bord?«
    Was soll ich jetzt tun, dachte Susanne erschreckt. Pit sagte, ich soll mich in kein Gespräch verwickeln lassen. Aber wie soll ich jetzt antworten, ohne den Gast zu beleidigen? Der will doch eine Antwort haben, sonst denkt er, ich bin unhöflich. Was mache ich bloß.
    »Oh«, antwortete sie kühn. »Ich bin schon drei Jahre an Bord.«
    »Der ›Gisela Russ‹?«
    »Ja.«
    »Sieh an.« Der alte Herr lächelte. »Das Schiff fährt aber erst seit etwa einem Jahr.«
    Susanne wurde über und über rot und wünschte sich, in den Erdboden versinken zu können. Wenn doch wenigstens Pit zu Hilfe käme. Sie schaute sich um, aber das kalte Büfett war leer. Pit war anscheinend zu einem anderen Gast gerufen worden. Nur weg, durchzuckte es sie. Einfach herumdrehen und weggehen. Das ist eine Frechheit, mich so zu blamieren. Aber da riß sie die gütige Stimme des alten Herrn aus ihren Gedanken.
    »Warum lügen Sie eigentlich, kleines Fräulein? Man sieht doch Ihrem Gesichtchen an, daß Sie nie gelogen haben, daß Sie einer Lüge gar nicht fähig sind. Alles an Ihnen ist so offen so gradlinig, so – naiv, möchte ich sagen, wenn es Sie nicht beleidigt. Sehen Sie, ich bin ein alter Mann und kann so mit Ihnen reden – ich könnte Ihr Großvater sein! Kommen Sie, bleiben Sie ein wenig hier. Ich möchte gerne mit Ihnen reden. Kapitän Kim Brake hat mir alles von Ihnen erzählt.«
    »Der Kapitän? Ihnen?« Susanne fuhr herum und starrte den alten Herrn entgeistert an.
    »Wer sind Sie denn?«
    »Ein alter Mann aus Amerika …«
    »Aus Amerika …«, sagte Susanne leise. Ihr Herz begann zu klopfen.
    »Ja. Aus dem Land, in das Sie heimlich hineinwollen. Zu Ihrem Frank. Habe ich recht?«
    Susanne nickte. Die Tränen kamen ihr – sie wandte sich ab und schämte sich.
    »Nicht weinen«, sagte die gütige Stimme. »Ich will Ihnen doch helfen, wenn ich es kann. Wo wollen Sie denn hin?«
    »Nach Ohio«, sagte Susanne schluchzend.
    »Nach Ohio?« Der alte Herr schaute sie erstaunt an. »Das nenne ich einen Zufall …«
    »Sie kennen Ohio?« Susanne sah den Herrn groß an.
    »Wie meine Tasche.« Der Professor richtete sich weiter auf. »Ich glaube, ich kann Ihnen wirklich helfen, zu Ihrem Frank zu kommen.«
    »Oh, wirklich, bitte, bitte – wer sind Sie denn?«
    »Ich bin Kunsthändler«, sagte er leise. »Mein Name ist Professor Krausz, und ich wohne in Cleveland, Ohio.«
    Weinend sank Susanne auf einen Stuhl und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Ein Schluchzen, das Erschütterung und Erlösung in einem war, schüttelte ihren schlanken Körper.
    Professor Krausz streichelte über ihre Locken und sagte mit schwankender Stimme: »Es ist ja schon gut, Mädchen …, ist ja gut … Wir werden dich deinem Frank schon übergeben, und du wirst ihn bald in deinen Armen halten können.«

13
    Dr. Yenkin's großer Wagen hielt vor den breiten Schaufenstern des Kunst- und Antiquariatsgeschäftes von Professor H. P. Krausz. Frank Barron dachte in diesem Augenblick das gleiche wie Dr. Yenkins: Das ist die

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