Niemand lebt von seinen Träumen
letzte Möglichkeit, Susanne auf legalem Wege in die USA zu holen. Versagt auch diese Chance, gibt es nur noch eines: Warten bis Ende 1951. Ausharren bis zur Eröffnung und Ausrechnung der neuen Auswandererquoten!
Warten! Warten! Immer nur warten! Und es geht Zeit verloren, die nie mehr aufzuholen ist. Jede Stunde, die wir unnütz leben, ist unwiederbringbar. Jede Sekunde ohne Susanne ist ein Verlust in diesem Leben. Jeder Tag ist rettungslos verloren … die Uhr tickt weiter, die Erde dreht sich unaufhaltsam, und der Körper zählt mit jedem Herzschlag die Zeit bis zum Verlöschen. Warten! Monate ohne Freude und Glück! Monate ohne Lachen! Nur Arbeit, Arbeit … und grauer Alltag …
Was gibt es denn im Leben Stärkeres als Sehnsucht und Liebe …?
Dr. Yenkins sah Frank Barron von der Seite an.
»Verlier bitte nicht die Nerven, wenn es nicht klappt«, sagte er tröstend. »Bekanntlich führen alle Wege nach Rom. Und viele führen nach Cleveland.«
Frank Barron nickte. »Deinen Optimismus möchte ich haben«, sagte er müde. »Und wenn dieser Professor Krausz auch nichts ausrichten kann?«
»Dann werden wir weitersehen.«
Sie betraten den Laden durch eine breite Glastür, die bei ihrem Eintritt ein feines Glockenspiel ertönen ließ. Aus dem Hintergrund, wo sich Gemälde, alte Schränke mit kostbaren Büchern, Skulpturen und wertvolles Porzellan stapelten, trat ein Mann mittleren Alters. Er verbeugte sich gemessen und sah von einem zum anderen.
»Die Herren suchen etwas Bestimmtes?« fragte er.
»Ja.« Dr. Yenkins nickte. »Wir suchen Herrn Professor Krausz.«
»Der Herr Professor ist verreist«, meinte der Mann steif und distanziert.
»Das wissen wir. Bill Bluet sagte es uns. Aber wir möchten gerne wissen, wo er hingefahren ist, beziehungsweise, wo er sich augenblicklich aufhält.«
»Und zu welchem Zweck, wenn ich fragen darf?«
Dr. Yenkins lachte laut.
»Nicht, um den alten Mann zu entführen. Mein Name ist Dr. Yenkins.«
»Oh, Dr. Yenkins?« Der Mann wurde sofort verbindlicher. »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Natürlich kann ich nicht genau sagen, wo sich der Herr Professor momentan befindet. Seine letzte Nachricht kam per Telegramm aus Bremerhaven. Wenn Sie einmal lesen wollen …«
Er nahm aus der Brieftasche ein Telegrammformular und reichte es Yenkins. Dieser las laut vor:
Schiffe mich morgen in Bremerhaven ein stop ankomme voraussichtlich am 14. stop Schiff Giesela Russ legt in New York an stop schickt Wagen nach New York stop Krausz.
»Na also«, meinte Dr. Yenkins und schaute Frank an. »Dann vergeht ja nicht mehr allzuviel Zeit, bis der Professor hier ist. Und es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn er sich nicht mit unserem Plan einverstanden erklärt, deine Verlobte in die USA zu holen.«
Frank Barron nickte. Die Nachricht hatte ihn etwas beruhigt. Es steht scheinbar doch nicht ganz so schlecht. In einigen Tagen ist dieser Professor Krausz hier. Ich kann neue Hoffnung schöpfen. Er wandte sich an den Sekretär und nahm einen Zehndollarschein aus der Tasche.
»Würden Sie denn so freundlich sein und ein Telegramm an Professor Krausz schicken. Fragen Sie ihn bitte, ob er in Europa schon eine Assistentin engagiert hat. Er wollte ja durch Mr. Bluet eine Dame einstellen. Wenn dies der Fall ist, brauchen wir seine Hilfe gar nicht mehr …«
»Aber, aber …« Dr. Yenkins schüttelte den Kopf. »Natürlich brauchen wir sie. Dann stellt er pro forma eben eine zweite Assistentin ein. Aber der Gedanke mit dem Telegramm ist ganz gut.« Der Rechtsanwalt wandte sich an den Sekretär. »Fragen Sie doch bitte an, ob der Professor sich eine Mitarbeiterin aus dem alten Europa mitbringt. Interessant ist das auf jeden Fall. Nach dem Datum der Ankunft müßte er sich ja jetzt längst an Bord der ›Giesela Russ‹ befinden.«
Der Sekretär nickte. »Allerdings«, meinte er. »Ich werde das Telegramm so bald wie möglich aufgeben lassen. – Kann ich den Herren sonst noch dienen?«
»Nein. Danke.« Dr. Yenkins gab dem Mann die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. »Sie müssen jetzt ein wenig Schicksal spielen«, meinte er beim Hinausgehen. »Wir sehen uns bald wieder.«
Auf der Straße zündete sich Frank Barron eine Zigarette an und meinte zu Dr. Yenkins:
»Ich habe das Gefühl, daß es klappt.«
»Das sage ich dir doch schon die ganze Zeit. War doch ein guter Gedanke von mir, zu Bill Bluet zu gehen.«
»Ich weiß auch gar nicht, wie ich dir das jemals danken soll, Percy«, sagte Frank und
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