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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Händen.
    Beruhigend streichelte ihr Professor Krausz über die braunen Locken und hob mit der Hand ihr tränenüberströmtes Gesicht zu sich empor.
    »Ich kann gleich zum Funker gehen und eine Nachricht an Ihren Frank schicken«, sagte er leise.
    »Ist das wirklich wahr?« Susanne sah ihn mit ihren braunen Augen an, als könne sie das alles noch nicht fassen.
    »Der Funker soll Ihrem Frank mitteilen, daß wir am 14. in New York ankommen. Er soll sich dann am Hafen bereithalten und alles Weitere abwarten.«
    »Und einen Gruß soll er mitbestellen … von mir. Nein, keinen Gruß, einen Kuß. Ja? Ob er das tut? Einen Kuß für Frank von Susanne, soll er schreiben …«
    Sie schlug wieder die Hände vor die Augen und ließ sich nach hinten in den Liegestuhl fallen. Dann fielen die Arme an den Seiten herab, und mit geschlossenen Augen lag sie in der Sonne und ließ die Tränen von den warmen Strahlen trocknen.
    Professor Krausz hatte sich erhoben und war zur Brücke gegangen, an der Jens Vondel von Kim Brake einige Anweisungen für die Navigation des Schiffes erhielt. Krausz berichtete dem Steuermann und dem Kapitän das bewegende Gespräch, das er gerade geführt hatte. Jens Vondel wurde daraufhin beauftragt die Nachricht dem Funker zu übermitteln, damit er sie gleich durchgeben konnte. Nachdem der Kapitän noch ein paar belanglose Worte mit ihm gewechselt hatte, ging Professor Krausz in seine Kabine, um seine Erschütterung bei der Lektüre seiner Kunstbücher zu verlieren.
    Eine solche Liebe muß herrlich sein, dachte er ein wenig wehmütig. Ich habe sie nie kennengelernt. Ich war immer allein, ich stand immer im Kampf um das tägliche Leben und habe nie einen Menschen gehabt, bei dem ich mich ausruhen konnte und der mir die Sorgen von der Stirn streichelte. Ich habe immer nur gekämpft und danach getrachtet, voranzukommen. Und wenn ich einen Menschen fand, so liebte er mein Geld, nicht mich, den Menschen! Da ekelte ich mich und blieb wieder allein … bis jetzt, wo es zu spät ist, wo der Körper in über siebzig Jahren heißer Kämpfe verbrannt ist. Einmal hätte auch ich gerne einen Menschen geliebt, richtig aus der Seele heraus geliebt … so wie Susanne ihren Frank … aber wie sollte mir bei meinem Schicksal eine solche Liebe widerfahren? In meiner ursprünglichen Heimat Österreich konnte ich nur kurze Zeit unbeschwert und ohne Sorgen meinem Beruf als Antiquar und Kunsthändler nachgehen. Dann kam sehr schnell die Angst vor dem Haß, mit dem meine Familie ihrer jüdischen Abstammung wegen verfolgt wurde. Verzweifelt hatten wir die Augen zunächst vor der Wahrheit verschlossen. Wie grausam wurden sie uns geöffnet. Als 1938 die deutschen Truppen in Österreich einmarschierten, war es zu spät. Meine ganze Familie wurde gefangengenommen und ins Ungewisse deportiert. Die furchtbare Zeit in Buchenwald und Dachau haben mein Wesen grundlegend verändert. Als ich 1939, wie durch ein Wunder, das Lager und dann Deutschland verlassen konnte, entschloß ich mich, nach Amerika zu gehen, da ich innerhalb von zwei Monaten das Land verlassen mußte. Dort erhoffte ich mir die Freiheit und Liberalität, die ich suchte und brauchte. Nur mit dem, was ich auf dem Leibe trug, und der Immigrationsurkunde schiffte ich mich ein. Es folgten Jahre des Aufbaus und der Selbstfindung. In relativ kurzer Zeit war ich dann einer der bedeutendsten Antiquare der USA mit dem größten und wertvollsten Sortiment geworden. Schöne Jahre waren es – sicherlich – zumeist Jahre der Arbeit, des Verzichts – und auch Jahre ohne jegliche Liebe? Nein, ich darf nicht ungerecht meinem Schicksal gegenüber sein.
    Krausz blätterte in seinen Kunstbüchern und vertiefte sich in die Werke Botticellis. Das wurde meine große Liebe, dachte er dabei. Das ist meine Welt. Die Unsterblichkeit, das Ewige im Menschen – die Kunst. Sie kann nicht verletzen, sie schmeichelt nicht um Geld, sie ist rein und edel. In ihr suche ich das wahre Antlitz des Menschen, die tiefe Seele, die keiner ahnt. Sie wurde meine große herrliche Geliebte – die Kunst …
    Die letzte Freude eines alten Mannes. Es erfüllte ihn mit Freude und Stolz, auf dieser Reise wieder wunderschöne, seltene und kostbare Schätze erworben zu haben. An einer Errungenschaft hing sein Herz besonders. Aus einer Privatsammlung in Berlin hatte er eine Boccacio-Erstausgabe aus dem Jahre 1476 erwerben können. Er hütete sie wie seinen Augapfel und dachte schon mit Wehmut an den Tag, an dem ein

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