Niemand lebt von seinen Träumen
– - – Schiff Giesela Russ – - – meldet euch.‹
Hebel auf Empfang.
Stille. Völlige Stille. Nur der Strom brummte in den schwarzen Kästen in der Ecke des Raumes.
Jeff wandte sich schnell um und sah Frank erstaunt an.
»Meldet sich keiner! Hast du dich auch nicht vertan mit dem Namen? ›Giesela Russ‹?«
»Nein!«
»Merkwürdig.«
Jeff tastete noch einmal den Äther ab und rief den Namen des Schiffes. Und wieder meldete sich niemand. Da warf er den Hebel herum und nahm seinen Kopfhörer ab.
»Tut mir leid, Frank, aber das Schiff antwortet nicht.«
»Aber das Schiff gibt es, Jeff! Ich habe doch ein Telegramm von Bord der ›Giesela Russ‹ bekommen!« schrie Frank unbeherrscht.
Jeff zuckte mit den Schultern. »Vielleicht schläft der Funker in der Bude … das soll vorkommen. Versuchen wir es vielleicht noch einmal am Tag?«
»Dann ist es zu spät. Bestimmt ist es zu spät«, stöhnte Frank. Er lehnte sich an die Wand, alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Seine letzte, plötzlich aufgeflammte Hoffnung, Susanne zu fragen, war zerstört, und mit ihr auch seine Widerstandskraft gegen das grausame Schicksal.
Wortlos schwankte er aus dem Funkraum hinaus. Mitfühlend legte Jeff ihm die Hand auf die Schulter. »Tut mir so leid, daß ich dir nicht helfen konnte. Aber ich muß vorsichtig sein. Sonst fliegt die ganze Sache auf, und das wäre doch das Schlimmste. Komm morgen wieder. Ich probiere es dann noch einmal. Vielleicht haben wir mehr Glück, und es klappt.«
Frank nickte. Jeffs Trost konnte ihm das Gefühl der totalen Hoffnungslosigkeit jedoch nicht nehmen. Er verabschiedete sich und fuhr zu seiner Wohnung zurück.
In seinem Zimmer sank er in den Sessel, der am Fenster stand. Wo mochte Dr. Yenkins jetzt sein, grübelte er. Alles ging schief. Es dauerte nicht mehr lange und das Schiff kam in den Bereich der Drei-Meilen-Zone. Dann würde man Susanne schon mit den Lotsen von Bord holen, und sobald die Polizei sie erwischte, war sie verloren.
Der Gedanke ließ ihn aufstöhnen. Es war ein Stöhnen der vollkommenen Ohnmacht und der Verzweiflung. Frank stützte den Kopf in beide Hände und starrte vor sich auf das Muster des Teppichs. Es war ein Buchara-Muster, fein geknüpft und handverknotet.
Er wartete.
Auf was, das wußte er nicht. Vielleicht auf ein Wunder?
Es soll Wunder geben, wenn man fest an sie glaubt, dachte er plötzlich. Dann lächelte er darüber, und es war ein schmerzliches Lächeln, das über seine bleichen Züge glitt.
Wie oft hat man von ›umkämpfter Liebe‹ gesprochen, dachte er. Wie oft hat man darüber gelächelt. Und jetzt ist die Wahrheit noch viel, viel härter als alles, was man über den Widerstand des Schicksals gehört hat.
Frank Barron trat an das Fenster und schaute hinaus. Hell lag die Straße vor ihm. Von Yenkins noch keine Spur. Ob er etwas erreicht hat, dachte er. Ob er heute noch wiederkommt? Es ist doch gut, daß der Mensch die Hoffnung nie aufgibt …
Das Telefon schellte.
Percy – durchfuhr es Frank, und mit einem Satz sprang er zum Telefonapparat und meldete sich.
Es war wirklich Percy Yenkins.
»Mach dich bereit, Frank, heute nacht noch nach Akron zu fahren, und nimm einen festen und dicken Anzug mit.«
»Wieso? Willst du mit mir zum Nordpol weiterfahren?«
»Nicht ganz so weit! Aber es wird kühl werden diese Nacht.« Yenkins lachte. »Frank, du bist noch nicht lange genug in Amerika, um unser Tempo zu kennen und zu verstehen. Was du diese Nacht erleben wirst, wird echtes USA-Tempo sein! Aber nun komm, Frank, red nicht zu viel, sondern beeil dich. – Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»So schnell auf einmal?« Frank war verwirrt.
»Ja. Ich fahre jetzt sofort los. Allerdings muß ich noch eben ein paar kleine Sachen erledigen. Wird aber schnell gehen. Dann hole ich dich ab. Und mach dir keine Gedanken, ich habe bei deinem Chef für dich einen Sonderurlaub bis zum 20. herausgeschlagen. Aber jetzt laß uns Schluß machen. Ich muß mich beeilen. Bis gleich also. Bye!«
Gedankenvoll legte Frank den Hörer auf. Er ging in sein Schlafzimmer, packte einen kleinen Koffer mit der nötigsten Wäsche, zog sich einen dunklen Fresco-Anzug an und wartete dann auf das Erscheinen von Dr. Yenkins.
Immer und immer wieder las er im Schein der Tischlampe das Telegramm Susannes.
Ein glückliches Lächeln umspielte seinen Mund.
»Einen Kuß für Frank von Susanne«, sagte er leise und strich mit den Fingern über das zerknitterte Papier. »Einen Kuß
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