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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bürgerliche Reichtum der Städte. Es blieb auch immer die Sehnsucht, einmal zurückzukommen und die alten Straßen noch einmal zu sehen. Ach, Frank … warum denke ich daran. Ich will doch nicht weinen und will froh und fröhlich zu dir kommen. Nur … es ist so schwer, allein mit dir in einem fremden Land, in einer neuen Welt zu sein.
    Regungslos sich gegen den dunklen Himmel wie eine geschnitzte Bugfigur abzeichnend, saß sie an der Reling und starrte ins Meer.
    Ich werde sehr stark sein müssen, dachte sie.
    Ich werde Frank nie zeigen dürfen, daß ich Heimweh habe.
    Immer werde ich mit ihm lachen. Werde immer lustig sein. Nur wenn er weg ist, will ich ein wenig weinen, in mich gehen, wenn ich an Deutschland denke. Ganz still für mich. Und dann werde ich hinausgehen in die Sonne und den weiten Garten und werde an den Rosen riechen, die den Balkon hinaufranken.
    Rosen wie in der Heimat. Blaßrote, weiße und gelbe.
    »Ich will kein Heimweh haben«, sagte sie halblaut in das Rauschen der Wellen hinein und fühlte doch, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Ich will doch stark und mutig sein …«
    Unter Susannes Füßen rauschte der Atlantik. Wie ein Pflug durchschnitt der Kiel die weite, leicht bewegte Fläche.
    Seufzend erhob sich Susanne, um in ihre Kabine zu gehen. Morgen sieht alles bestimmt schon wieder ganz anders aus, dachte sie. Jetzt bloß nicht mutlos werden. Ich wünsche mir ja nichts sehnlicher, als bei Frank zu sein. Er wird mich mein Heimweh schnell verschmerzen lassen. Liege ich erst in seinen Armen, werde ich bestimmt alles vergessen, was mich jetzt noch traurig macht. Ach, könnte Frank doch sofort bei mir sein. Susanne blickte wehmütig zum Horizont, dorthin, wo sie weit in der Ferne Amerika vermutete. Wie lange würde es noch dauern, bis sie ihr Abenteuer überstanden hatte? Wie gut, daß man nie wußte, was das Schicksal einem bescherte.
    In solche Gedanken versunken, stieg Susanne die schmale Eisentreppe zum Mannschaftslogis hinunter. In dem engen Flur, von dem aus auf beiden Seiten viele schmale Türen zu den Mannschaftsräumen führten, brannte nur noch die schwache Notbeleuchtung. Susannes Kabine befand sich fast am Ende des langen Ganges. Zu dieser Abendzeit war es hier unter Deck still. Die nicht wachhabenden Matrosen lagen bereits auf ihren harten Pritschen und schliefen. So war Susanne sehr erstaunt, sogar ein wenig erschrocken, als sie plötzlich hinter sich Schritte hörte. Irgend jemand schien ihr zu folgen; er ging gerade die Eisentreppe herunter. Susanne wollte rasch in ihrer kleinen Notunterkunft verschwinden, da vernahm sie ihren Namen.
    »Susanne!«
    Es mißfiel ihr zwar, daß der Unbekannte sie lediglich mit ihrem Vornamen anrief, aber sie wollte nicht unhöflich sein. So wandte sie sich, wenn auch etwas unwillig, um. Vor ihr stand Karl Mater, der I. Funker der ›Giesela Russ‹.
    »Nanu, so spät noch auf den hübschen Beinen«, grinste er Susanne an. »Ich dachte, Sie lägen schon längst in der Koje und würden von Ihrem Frank träumen.«
    Es war ganz offensichtlich, daß der Funker getrunken hatte. Während er seine bissigen Bemerkungen losgelassen hatte, war er nahe genug an Susanne herangekommen, daß sie seine Alkoholfahne bemerken konnte. Doch völlig betrunken war Karl Mater nicht. Sein Annäherungsversuch erfolgte nicht unkontrolliert. Susanne beschloß, ihm zwar zu antworten, auf die Anspielungen aber erst gar nicht einzugehen.
    »Es war noch so schön, oben an Deck. Ich hatte bisher nie die Möglichkeit, die weite See kennenzulernen. Die Überfahrt ist deshalb für mich ein großes Abenteuer. Um sie voll zu genießen, opfere ich gerne einen Teil meines Schlafs.«
    »Was sollte ein hübsches Mädchen wie Sie auch die ganze Nacht lang allein im Bett machen?« fuhr der Funker mit seinen Anzüglichkeiten fort.
    Susanne war verwirrt. Sie hatte mit einem Mal ein ungutes Gefühl. Sollte sie schreien – gar um Hilfe rufen? Aber sie wollte Karl Mater auch nicht bloßstellen. Die peinliche Angelegenheit sollte sich für ihn nicht zu einer Affäre ausweiten. Wie wäre es, wenn sie ihn einfach stehenlassen würde? Blitzschnell wollte sie sich umwenden, um zu ihrer Kabinentür zu gelangen. Aber der Funker vereitelte die Flucht, indem er Susanne, noch ehe sie den Drehknopf an der Tür betätigen konnte, am Arm faßte und unbarmherzig festhielt.
    »Warum denn so eilig, Puppe? Da drinnen erwartet dich doch niemand, oder? Mußt doch schon lange keinen richtigen Mann mehr

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