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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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– so richtig gemütlich. Gerade so, wie es sich ein junges Mädchen wünscht, wenn es auf großer Fahrt ist.
    Morgens und abends schälte sie in der Mannschaftsküche Berge von Kartoffeln, und es hieß schon am ersten Tag unter den Matrosen, daß die Kartoffeln auf einmal viel besser schmeckten. Das war natürlich Dummheit, aber Susanne freute sich darüber, daß alle auf dem Schiff ihr freundlich gesinnt waren und keiner darunter war, der sie anfeindete. Selbst Kapitän Kim Brake brachte ihr am Abend seine alte Seewetterjacke, mehrere Pfund schwer, und bat sie, ihm einen Knopf daran zu nähen, der beim letzten Sturm verlorengegangen war. Sonst hatte er dies immer allein getan oder Johnny, den Allerweltskerl, damit beauftragt – jetzt aber hatte man eine ›Seemannsfrau‹ an Bord, die für solche Dinge sorgen wollte …
    So verging die Zeit, und man fuhr durch die leise bewegte See. Wenn die Dunkelheit sich über das Schiff senkte und aus den Kabinen und dem Speisesaal die Lichter über das schwarze Wasser flimmerten, wenn die ›Giesela Russ‹ wie ein Lichtermeer durch die Nacht glitt und aus den Passagierräumen die Musik der Radios klang, saß Susanne meist allein vorne am Bug des Dampfers und starrte auf die Wellen, die der spitze Kiel zerteilte.
    Schwarz dehnte sich vor ihr der Atlantik. Weit vorne, unsichtbar, lag der Horizont. Dort schienen Himmel und Meer aufeinanderzustoßen, und dort sollte auch eines Tages der helle Streifen Land auftauchen, der immer näher und näher kam und eine neue Welt bedeutete, ein neues Land, ein fremder Kontinent … eine neue Heimat für Susanne und Frank.
    Ob ich mich gut einleben werde? dachte sie und starrte in die Wellen, die am Kiel emporschäumten. Ob ich diesen fremden Lebensrhythmus verstehe, von dem der gute Professor sprach? Dort in den USA ist alles so anders. Dort kennt man keine Ideale mehr, sondern nur den Wert des Dollars. Dort heißt es nicht, was kannst du, sondern was verdienst du! Und wie man sein Geld verdient – das ist egal. Die Hauptsache ist, das Bankkonto ist voll und wächst und wächst. Je mehr Dollars in der Tasche klimpern, um so höher steigt man in der Achtung. Was nützt da ein Studium, was das Ideal, Großes leisten zu wollen. Der Mann, der mit Streichhölzern ein Vermögen erkaufte, ist mehr als der Professor, der jahrelang hungernd in endlosen Nächten entdeckte, daß die Inschrift in einem alten Stein von versunkenen Kulturen längst vergessener Völker kündet.
    Susanne stützte den Kopf in beide Hände und zog die Schultern etwas nach vorn, weil sie im Zugwind fröstelte.
    Ob ich Heimweh nach Deutschland haben werde? grübelte sie.
    Ob ich sie sehr vermisse … die deutschen Tannenwälder, die schmucken Fachwerkhäuser in den Dörfern, die deutschen Volkstrachten und die herrlichen Lieder? Ob ich mich zurücksehnen werde zu den stillen Bergseen der Alpen und den geheimnisvollen Tälern des Schwarzwaldes? Ob ich es sehr vermisse, nicht mehr den Rhein zu sehen mit seinen alten, verfallenen Burgen und den lustigen Weinkneipen, dem Siebengebirge und der Lorelei? Es wird eine schwere Zeit werden, die ersten Monate und vielleicht auch Jahre, bis man gelernt hat, daß auch der Strand von Miami so schön ist wie der von Norderney, oder die Wälder an den Hängen der Rocky Mountains die gleichen Tannen haben wie die grünen Hügel des Sauerlandes. Und auch in New York und Cleveland wird es nicht anders sein als in Köln oder Berlin, Hamburg oder München. Autos werden durch die Straßenschluchten fegen, die Lichtreklamen der Geschäfte und der Theater werden am Abend wie ein buntes Märchen sein, und die Masse der Menschen, die aus den Kinos strömt, wird genauso erfüllt von einem Film sein wie der kleine Peter Maier oder der lange Gottfried Schulze vor dem Urania-Palast in Bremen.
    Und doch ist es ein fremdes Land. Ist es nicht die Heimat, nicht der Boden, auf dem man als Kind spielte und mit seinem kleinen Blechschäufelchen den Sand durchwühlte, um Backe-Backe-Kuchen zu spielen oder Burgen zu bauen. Und die Straßen, durch die man stolz den ersten Puppenwagen schob und sich von den Nachbarskindern bewundern ließ, sind nicht die gleichen wie die Rolls Road in Chicago oder die Fifth Avenue von New York. Auch wenn Frank da war, wenn man glücklich lebte und einmal selbst ein Kind hatte, das im Sand spielte – es bleibt in der Ferne die Heimat … es blieben die dunklen Wälder und die klaren Seen, die leuchtenden Bauernhäuser und der

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