Niemand lebt von seinen Träumen
entgegenrasten.
An einer Kreuzung bog Yenkins ab und fuhr etwas langsamer durch einen kleinen Wald. Als sie aus ihm hinausfuhren, lag vor ihnen, schwach erleuchtet, ein weites Feld und an dessen Ende die Asphaltplatte der Rollbahn zum Starten und Aufsetzen der Flugzeuge. Weite Schuppen und Lagerhallen, mit Zeltplanen überzogene Maschinen und kleine rote Tankwagen standen vor dem hell erleuchteten Verwaltungs- und Kartenhaus. Vor dem Eingang der Haupthalle stand eine lange Bank, auf der einige Männer in Lederanzügen saßen und sich erhoben, als Yenkins' Wagen mit quietschenden Bremsen hielt.
»Hallo, Doc«, rief einer der Männer. »Steht alles bereit. Können gleich lospfeifen.«
Dr. Yenkins kletterte aus dem Wagen und nickte. »Sehr gut«, meinte er und tippte sich im Kreise umblickend an den Hut. »Ist mir zwar unangenehm, Leute, daß ihr des Nachts zu den Sternen hinaufklettern müßt, aber es geht nun einmal nicht anders. McCray hat mir aber zugesagt, daß ihr eine Sonderprämie erhalten werdet.«
»Ist schon okay«, meinte der erste Sprecher wieder. »Für 'ne Handvoll Dollar mehr fliege ich Sie zum Mond.« Er lachte dröhnend und ging der Gruppe voraus.
Seinen Koffer aufnehmend stolperte ihnen Frank Barron nach und sah bald vor sich in der Dunkelheit die Umrisse eines großen Flugbootes auftauchen, das sowohl auf dem Wasser wie auf festem Boden landen konnte. Mit abgeblendeten Lichtern stand der Flieger am Rande des Rollfeldes.
Dr. Yenkins kletterte als erster in die Maschine, ihm folgte Frank, dann kamen der Flugzeugführer, der Mechaniker, der Funker und ein Hilfsmechaniker. Drei Männer, die die Bremsklötze wegnehmen und das Flugzeug vom Boden aus einweisen mußten, blieben zurück.
In der weiten, mit weichen Ledersesseln ausgestatteten Kabine knipste Yenkins eine Taschenlampe an und nickte Frank zu.
»Da wären wir. Du wirst jetzt einen besonders komfortablen Nachtflug über die USA erleben. Habe keine Angst, wenn es gleich einen Ruck gibt – dann schweben wir nämlich schon in der Luft, und aussteigen ist dann verboten.«
Frank lächelte nur schwach über diesen Witz und beugte sich zu dem runden Fenster vor.
Bei dem Lärm der startenden Motoren konnte man das eigene Wort nicht verstehen, sie beschleunigten, die Männer rissen die Bremsklötze weg – dann rollte die Maschine langsam an, hob sich dann sacht, kaum merklich vom Boden und nahm Kurs auf den Wald, aus dem Yenkins und Frank vorhin hinausgefahren waren.
Höher und höher stieg die Maschine, weit unter ihr lag jetzt der Flugplatz von Akron mit seinen kleinen Gebäuden, die bald nur noch Lichtkleckse waren. Dann tauchte im Dunst der Nacht das Lichtermeer der Stadt Akron auf. Grell erleuchtete Wolkenkratzer, die in die Wolken schienen, breite Bänder voller Lichterflut, Straßen und Plätze, ein riesiger, blitzender Diamant der Nacht …
Die Maschine zog eine weite Schleife über Akron und nahm den geraden östlichen Kurs. Die Motoren brummten jetzt leiser. Man merkte kaum, daß man flog. Bequem und leicht saßen Yenkins und Frank in ihren Sesseln.
»Mein erster Flug«, meinte Frank und starrte aus dem Fenster hinab auf die dunkle Landschaft unter ihnen, die nur ab und zu von Lichtpunkten unterbrochen wurde. »Es ist herrlich, so frei und unbeschwert über allem zu schweben.«
Dr. Yenkins nickte. Er blickte angestrengt auf eine Karte, die auf seinen Knien lag.
»Bei der Position, die die ›Giesela Russ‹ im Moment hat, müßten wir in zirka fünf Stunden da sein«, sagte er. Yenkins blickte auf und lächelte. »Was wird wohl deine Susanne sagen, wenn du so plötzlich aus dem Himmel vor ihre Füße fällst?«
»Susanne?« Frank sah vor sich hin. »Sie wird sagen: Nanu, du hast dich aber verändert. Das Geld hättest du dir allerdings sparen können – mit der Bahn ist es nämlich billiger …«
Und Dr. Yenkins lachte und beugte sich wieder über seine Karte. »Etwas anderes hätte ich auch von deiner Susanne nicht erwartet«, rief er lustig. »Ich glaube, die macht aus dir einen mustergültigen Ehemann.«
20
Kim Brake stand auf der Brücke und hatte die neueste Positionsmeldung in der Hand, die Jens Vondel errechnet hatte. Susanne Braun stand neben ihm und lieferte ihm die Lederjacke, mit einem neuen, doppelt angenähten Knopf ab.
»Jetzt dauert es nicht mehr allzu lange«, sagte er zu ihr und fuhr mit der Hand über seinen ergrauten Schädel. »Dann sehen wir die Freiheitsstatue vor uns, und der richtige Kampf beginnt
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