Niemand lebt von seinen Träumen
Jim und umarmte sie.
»Ihr seid gute Jungs und fantastische Freunde«, sagte sie mit bebender Stimme, in der die unterdrückten Tränen mitschwammen. »Euch habe ich viel zu verdanken. Ohne euch wäre die Fahrt die Hölle gewesen. So wurde sie eine Fahrt, die ich nie vergessen werde.«
Jim wandte sich ab und rannte in seine Küche, ohne sich noch einmal umzusehen. Laut krachte die Tür zu. Johnny blickte zu Boden.
»Der heult jetzt«, sagte er selbst mit weinerlicher Stimme. »Mensch, wäre ick doch jetzt uff'm Kurfürstendamm, statt uff diesem Pott! Susanne, mach's gut und schreib auch mal. Dat interessiert uns doch, wie du et in USA jetroffen hast …«
Pit nickte. Der lange wortkarge Mann schluckte tief und preßte die Lippen fest aufeinander.
»Jo«, knirschte er. »Schreib mal, Susanne. Und alles Gute, Susanne. Vergiß uns nicht ganz.« Dann versagte auch ihm die Stimme, und er trottete weg, ein Riese, der vor Trauer den Kopf hängen ließ.
»Wir sehen uns in fünf Tagen wieder, Susanne«, sagte Professor Krausz. »Ich komme zu unserem Freund Yenkins hinaus. Und Sie, lieber Frank Barron, stehen jetzt unter Beobachtung! Wenn Sie unsere Susanne nicht glücklich machen, werden Sie von uns allen zerrissen! Denn Susanne ist unser aller Schützling – wir alle sind für sie verantwortlich.«
»Das will ich wohl meinen«, sagte Jens Vondel laut.
Frank Barron sah von einem zum anderen.
»Sie haben alle geholfen, daß Susanne zu mir kommen konnte. Sie sollen auch alle sehen, daß eure Hilfe nicht umsonst war.«
An einer Strickleiter kletterten die drei hinab auf die breiten Schwimmer des Flugbootes, von denen aus eine kleine Treppe ins Innere des Flugzeuges führte. Noch einmal blickte sich Susanne Braun um und winkte zu den Männern zurück, die in einer Reihe an der Reling standen. Dann trat sie in das Flugboot und setzte sich still und ein wenig bedrückt an eines der Fenster.
Jetzt verlasse ich deutschen Boden, durchfuhr es sie. Jetzt bin ich in der Fremde. Jetzt reiße ich die letzte Brücke ein, die mich mit Europa verbindet. Dort stehen sie alle – Kim Brake, Jens Vondel, Johnny, Pit und der heulende Jim. Die bunten Wimpel wehen am weißen Leib des Schiffes. Golden leuchten die Buchstaben des Namens ›Giesela Russ‹ – ein Name wie ein Volkslied – und alles wird gleich unter mir entschwinden – wird verlöschen, wie alles, was hinter mir liegt. Hinauf geht es, der Sonne entgegen, in ein neues Leben. Unbekannt und geheimnisvoll, und doch glücklich und froh, weil Frank an meiner Seite ist …
Die Außentür klappte. Susanne sah, wie die Leinen abgeworfen wurden, wie Pit die Seile einzog und die Strickleiter an Bord hievte. Dann erklang ein Dröhnen, der Leib des Flugzeugs erzitterte, und dann entfernten sie sich von dem Schiff, das weiß und grell leuchtend in der Sonne lag. Susanne schloß die Augen und legte den Kopf an Franks Brust. Ich kann es nicht sehen, durchzuckte es sie. Ich kann nicht hinschauen, wie die Heimat versinkt. Ich muß schreien, ja ich würde es tun, wenn Frank mich jetzt nicht zärtlich streicheln würde. Wie gut er mich versteht, wie er meine Seele kennt.
Oh, Frank, streichle weiter … es ist so schwer, der Heimat Adieu zu sagen …
Als sie flogen, schaute Susanne noch einmal aus dem Fenster. Sie waren jetzt hoch über dem Schiff, das unter ihnen mit schäumendem Bug durch das Meer rauschte. Grüßend zog die Maschine eine große Schleife über der ›Giesela Russ‹, deren bunte Wimpel und Sonnenschirme zu ihnen hinaufleuchteten. Grell durchschnitt ein Heulton die klare Luft. Kim Brake ließ die Sirene ziehen und grüßte zurück. Auf Wiedersehen, Susanne, hieß das. Mach es gut, Mädchen. Wir werden in Deutschland an dich denken.
Höher und höher schraubte sich das Flugboot. Jetzt war das Schiff nur noch ein glänzender Punkt auf einer leicht gekräuselten blauen Fläche. Dann verschwand es ganz unter der Wolkendecke. Das Flugzeug nahm geraden Kurs auf Amerika.
In ihrem Sessel zurückgelehnt saß Susanne neben Frank und Dr. Yenkins. Man sprach lange kein Wort, sondern sah stumm aus dem Fenster auf die sich immer neu formenden Wolkengebilde unter ihnen. »Sie haben Mut, Susanne«, sagte Yenkins endlich.
»Mut? Wieso?«
»Kein Mann hätte das gewagt, was Sie taten! Ich bin ehrlich, ich gäbe viel darum, wenn ich mich Ihr Freund nennen dürfte …«
»Das sind Sie schon längst, Dr. Yenkins«, sagte Susanne ehrlich. »Franks Freunde sind doch auch meine.«
»Ich
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