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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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mussten, hinter sich.
    »Müssen wir dort entlanggehen? Ich hasse diese Straße«, mauzte Lilly. »Viel zu viele Niemandsländer, zu viele Geräusche, Gerüche und Nervensägen. Du solltest sehen, dass ihr nach Hause kommt – ohne dass es dein Vater merkt. Die Nacht bricht bald über uns herein«, mahnte die Abrissbirnenkatze und mischte sich somit erneut in Niemands Entscheidungen ein.
    Langsam nervte ihn das Mauzen und Miauen und Schnurren, Krauchen und Fauchen.
    In Lilly versteckte sich ein Besserwisser.
    »Ich werde die Burg umgehen und Nina erst den Thron zeigen. Du hast selbst gesagt, dass er gestohlen werden könnte, also muss ich doch nachsehen, ob alles in Ordnung ist.«
    »Du solltest nicht bei Dunkelheit unterwegs sein. Du weißt, wie gefährlich das sein kann. Geht nach Sonnenaufgang zum Thron. Und geht nicht allein.«
    »Wen sollte ich mitnehmen? Meinen Vater?«
    »Ich schleiche hinter euch her und passe auf.«
    »Hast du schon mal gegen die Goldgelockten-Giganten-Greislinge gekämpft?«
    Lilly schüttelte den Kopf.
    »Die Nacht habe ich schon mehrmals überlebt. Außerdem hilft mir der Kopflose Reiter, wenn ich ihn brauche.«
    Lilly fauchte. »Und was ist mit Nina?«
    »Meinem Vater in die Arme zu laufen dürfte gefährlicher werden.«
    Lilly antwortete ihm mit einem Knurren. Jeder im Niemandsland hasste seinen Vater. »Eine Zuflucht gibt es an deinem Thron nicht. Wie willst du dich vor den Goldgelockten-Giganten-Greislingen schützen?«
    »Verstecken«, sagte Niemand.
    Lilly mauzte fragend.
    Zum ersten Mal sah er sich mit der Aufgabe als Herrscher und der damit verbundenen möglichen Macht konfrontiert. Noch wusste er nicht, wie er diese Macht anwenden und seine Aufgabe bewältigen sollte. Er wusste nicht einmal, welche Fähigkeiten der rechtmäßige Erbe erhielt und welche Pflichten er hatte außer der, für Frieden zu sorgen. Dafür stand doch ein Herrscher? Für Frieden!
    Das würde Niemand niemals gelingen. Nicht, solange sein Vater und sein Onkel versuchten, den Thron für sich zu gewinnen. Sie kämpften nicht mit Waffen, nur mit List, obwohl sie nicht wussten, wie sie dem Fluch – als Edelstein auf dem Thron zu enden – entkommen sollten. Oder wussten sie es doch?
    Niemand ahnte es nicht, er wollte nur Nina vor seinem Vater beschützen, und alles andere würde geschehen, so wie es immer geschah.
        

16.

    Der Boden staubte unter ihren Schritten, und Nina erkannte, dass Niemand direkt neben ihr ging. Kurze Rasenflächen säumten den Weg und erinnerten nicht mehr an die gefährlichen Graswälder, in denen sich die E-Mann-Zehen versteckt hielten. Bisher waren sie nur diesen einen Weg entlanggegangen, mal neigte er sich minimal abwärts, meistens aufwärts, er führte sie nach links, dann nach rechts. Und eine Weile nahm der Weg eine starke Steigung an, nun standen sie am Gipfel eines kleinen Berges. Von hier erblickte Nina die vielen schmalen Wege, die sich durch das Niemandsland schlängelten und sie an keltische Zeichen erinnerten, wie Suse eines an ihrer Kette um den Hals trug.
    Obwohl Lilly zu einer kleinen Katzenart gehörte, wurde sie ihr zu schwer, darum setzte Nina die Abrissbirnenkatze auf den Boden, wo sie vor sich hinmauzend weitertrottete. Nina verstand nicht, was sie sagte, aber die Töne, die Lilly von sich gab, klangen verärgert, trotzig und beleidigt. Sie hatte noch nie ein Tier besessen, aber vielleicht könnte sie Lilly mitnehmen, mit nach Hause. Dann sah sie zu Niemand hinüber – oder dorthin wo sie ihn vermutete – und wollte lieber nicht daran denken, das Niemandsland verlassen zu müssen, obwohl sie wusste, dass sie nicht ewig hierbleiben konnte.
    »Da kommen sie.« Mit einem Satz sprang Lilly wieder auf Ninas Schulter. »Setz mich jetzt nicht runter. Miau. Sie zertrampeln mich sonst.«
    »Aber da ist niemand.«
    »Ja. Bin hier«, ertönte es von ihrer Seite.
    »Nein, ich meine, da kommt uns doch gar keiner entgegen.«
    »Gleich. Gleich sind sie da. Der Boden vibriert, wenn sie im Gleichschritt stampfen, immer rundherum. Ich hasse diese Stromschwimmer.«
    »Können wir sie nicht vorbeilassen?«
    »Nein«, antwortete Niemand. »Wir müssen quer hindurch, achte auf ihre Gesichter, achte darauf. Sie kommen. Lilly hat recht.«
    Niemand griff nach Ninas Hand.
    »Jetzt!«
    Wie aus dem Nichts tauchten sie auf: Hunderte schwarz gekleideter Wesen marschierten wie Soldaten auf sie

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