Niemand
Das Beste war der leckerlieblichzuckersüße Erdbeerduft. Und das Allerbeste war Nina.
13.
Niemand Sonst starrte aus einem der Burgfenster seines Zimmers. Der Vater des Herrschers sollte ein herrschaftliches Schloss besitzen, aber sein architektonisches Wissen hatte nur für eine Burg gereicht. In den unzähligen labyrinthartig angelegten Gängen verlief er sich mindestens einmal in der Woche, aber davon hatten seine Untertanen keine Ahnung, und wenn sie es wussten, schwiegen sie, denn sie fürchteten sich vor Niemand Sonst, wie sonst vor niemandem. Sein Besitz verfügte über mehrere Verliese, die jedoch meist unbesetzt blieben. Auch die Räume füllte er nicht mit Leben, danach strebte Niemand Sonst nicht. Besucher und Gefangene brachten Unruhe, Arbeit und Dreck. Weitere Kinder blieben ihm, den Stinkstiefeln sei Dank, erspart. Er hatte diese Burg kurz nach Niemands Geburt errichten lassen, es war ihr Wunsch gewesen. Nicht, dass er Wünsche erfüllte, dafür fühlte sich Fräulein Klimper verantwortlich. Aber er sah im Erbauen seiner Burg den angenehmen Reiz, sich die Zeit zu vertreiben.
Die Scheibenlecker, die Hohlen Früchte, die Saftsäcke und die Scheißkerle hatten unter seinen Anweisungen gearbeitet. Er gab gerne Anweisungen, ununterbrochen und von morgens früh bis spät in die Nacht. Die Klugscheißer entließ er nach drei Tagen – alles glaubten sie besser zu wissen. Niemand Sonst war der Einzige, der irgendetwas zu sagen hatte und alles besser wissen durfte.
»Nutzloses Gör. Niemand. Wie ich seine Mutter verfluche, dass sie mich mit diesem Balg allein gelassen hat.«
»Aber Eure Unsichtbarkeit, Ihr wart es doch, der dafür gesorgt hat, dass Eure werte Gemahlin von uns gehen musste.«
»Red doch nicht so geschwollen dummes Zeugs daher, Drecksack.«
Niemand Sonst hatte den Drecksack gerne um sich; er konnte ihn beschimpfen, ohne dass sich dieser beschwerte. Auch ein paar Tritte hielt der Drecksack aus. Das war schon eine Wohltat für Niemand Sonst. An wem sollte er sich für all die Ungerechtigkeiten rächen, die ihm widerfuhren? Und dreckiger konnte der Sack nun wirklich nicht mehr werden.
Aber womöglich kam dieses dumme Mädchen, das Niemand anschleppte, auf die Idee, den Drecksack zu waschen. Das könnte ihm zu einer weißen Weste verhelfen und schlimmer noch, sein Selbstbewusstsein stärken. Eine unfassbare Vorstellung.
Ob er sich dann noch von Niemand Sonst schikanieren und herumtreten ließe?
Bei den sieben Stinkstiefeln, sie hatte sogar der Abrissbirnenkatze einen Namen gegeben und den Trauerkloß getötet. Und es hieß, sie hätte Fräulein Klimper ausgetrickst und bei ihr zwei Wünsche frei. Nicht auszudenken, wenn es ihr ein drittes Mal gelänge, einen Wunsch frei zu bekommen. Drei Wünsche auf einmal! Das durfte Niemand Sonst nicht zulassen.
Sie schien zu allem fähig, dieses Mädchen. Ach was! Kein Mädchen, es musste eine Hexe sein, eine gerissene Verwandte der Gewitterhexe oder eine Bekannte von Fräulein Klimper, vielleicht gehörte sie auch zu Tusnelda Laberbacke, der ollen Tussi. Sie soll wie ein Wasserfall dummes Zeugs reden, wusste der Dritte Mann zu berichten. Das fehlte noch. Ein Wesen weiblichen Geschlechts, das unendlich viele Fragen stellte, bis ihm die Buchstaben aus den Ohren quollen und sie ihn tot gelabert hatte. So wie einst beinahe Niemands Mutter.
Er spuckte aus. »Nein, vielen Dank. Sie muss weg.«
»Wer, Eure Unsichtbarkeit? Wer muss weg? Eure Frau ist doch schon tot.«
»Drecksack!«, herrschte er ihn an und packte den dürren, fettverschmierten Sack an dessen Kragen. »Hör mir mit meiner Frau auf, sie ist genau das, was sie sein sollte: Ein glitzernder Diamant, schmückend und schön, zugegebenermaßen. Zu was anderem sind Frauen nicht nütze. Und diese Nina, die Niemand anschleppt, ist auch eine Frau, wenn auch eine kleine. Verstehst du? Sie muss weg! Ich weiß nur noch nicht wie.« Er warf den Drecksack in die Ecke seines Schlafgemachs, der dort liegen blieb und wie die ausgequetschte, versiffte Version des zu Gnocchi verarbeiteten Trauerkloßes aussah. »Aber mir wird etwas einfallen.«
14.
Nina hielt sich den Bauch, ging in die Knie und wischte sich Tränen aus dem Gesicht. Sie lachte und lachte und konnte nicht mehr aufhören. Was gäbe sie dafür, Niemand jetzt zu sehen. Seinen Gesichtsausdruck, die leuchtenden Augen. Sie wusste, dass er sie erstaunt ansah, ein Lächeln auf den Lippen, die Stirn krausgezogen. Ja, so blickte er
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