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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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größte Liebe einer jungen, verwirrten und verzweifelten Frau werden sollte, die aus Unwissenheit gehandelt und den Mann, der sie lieben sollte – nur diesen einen, niemanden sonst –, nicht beim Namen genannt hatte, hockte schmollend in seinem Zimmer.
      
    Sein Bruder, ein schmieriger, einfältiger, dümmlicher Kerl, den überhaupt niemand mögen sollte und der darum namenlos blieb, saß weiterhin in der Höhle der Kreischzwerge, den Heiligen Geist auf seinem Schoß, und unterdrückte einen Aufschrei, als sein Magenknurren seine Anwesenheit verriet.
      
    Niemand, der alles andere als ein Niemand war und dennoch einer bleiben musste, weil seine Mutter ihm weder einen Namen geben noch Fürsorge angedeihen lassen durfte, lehnte erschöpft an einem Baumstumpf. Er hatte den Niemandswald durchquert, war über den Niemandsweg gerannt und ignorierte die aufgebrachten Glücksgeflügelten, die Fräulein Klimper aus dem Feenkraut vertrieben hatte.
    Aus der Ferne hörte er das Schwatzen der Niemandsländer. Er musste nur noch das Liebeswäldchen durchqueren. Niemand zögerte. Es erschien ihm wie ein Verrat an Nina, ohne sie durch das Wäldchen zu gehen.
    Es war immer noch hell. Die Niemandsländer hatten den Zeitschalter noch nicht erreicht, entweder bewegten sie sich langsam voran oder hatten einen großen Umweg gemacht und Pin und Nöckel in ihren Plan eingeweiht, wie auch immer dieser aussehen mochte. Niemand glaubte, dass sie alle ein Ziel hatten, aber nicht wussten, wie sie es erreichen sollten. Er sah sich bestätigt von all den Lebewesen, die ihn als Herrscher betrachteten. Das gab ihm Kraft. Gleichzeitig fühlte er sich dieser Aufgabe noch nicht gewachsen. Gefühle schienen seltsam zu sein. Bevor er Nina getroffen hatte, kannte er Hass, Trauer und Sehnsucht. Jetzt waren da unendlich viele mehr, die das Niemandsland mit neuen Gerüchen überfluteten – nicht nur von ihm.
    Niemand atmete tief durch. Es half nichts. Er musste, wie Lilly es ihm geraten hatte, die Niemandsländer finden. Und das, bevor sie den Zeitschalter betätigten. Drückten sie ihn falsch oder zu oft, war es möglich, dass sich Pin und Nöckel nie gut verstanden, Lilly eine Abrissbirnenkatze bliebe, Anton der geschundene Drecksack von Niemand Sonst und er – Niemand – würde Nina nie kennenlernen. Genau wusste Niemand nicht, wie der Schalter funktionierte, aber er wollte derjenige sein, der den Hebel bewegte, in der Hoffnung, alles richtig zu machen und Nina wiederzusehen.
    Er schloss die Augen und trat ins Liebeswäldchen. Erdbeerduft, Elfenstaub und Liebesklänge hüllten ihn ein und nahmen ihm Luft und Gehör. Niemand stolperte zurück in den Floskelwald und atmete schwer.
    So viel Liebe und Kitsch hielt ein Niemand nur schwer aus, schon gar nicht, wenn das Liebste, das er je kennengelernt hatte, weit von ihm entfernt in einem Zimmer gefangen gehalten wurde, das er selbst nie gesehen hatte, in dem jedoch siebzehn Jahre zuvor seine Mutter gelebt haben sollte.
    Verwirrt schüttelte Niemand den Kopf.
        

53.

    Petit verscheuchte die Stille mit einem lauten Schrei, der Lilly, Nina, Anton und Fräulein Klimper zusammenzucken ließ. Dann weinte er herzzerreißend, als gäbe es für einen Trauerkloß keinen Morgen und niemals Glück.
    Nina versuchte über das Jammern hinweg zu rufen: »Was meinst du mit jemand wie ich?«
    Fräulein Klimpers Lippen bewegten sich, aber Nina hörte sie nicht.
    »Anton, du musst Petit beruhigen«, Nina gab dem Sack das Klößchen zurück.
    Sein Schreien hörte sofort auf.
    »Womit füttere ich es nur? Braucht es neue Windeln? Ach, es trägt ja keine.« Anton redete mit sich selbst, während er im Zimmer umherhüpfte, Petit in seinen Stummelsackarmen wiegte und dem Baby ein Lied summte. Nina lächelte. Sie blickte zur Tür hinüber. Niemand kam nicht und Niemand Sonst auch nicht.
    »Fräulein Klimper, was meintest du mit jemand wie ich?«, wiederholte Nina ihre Frage, deren Antwort im Kloß-Geschrei untergegangen war.
    »Aber das habe ich doch eben gesagt. Liebchen. Ich bin es so müde, immer alles wiederholen zu müssen.«
    »Bitte! Ich konnte dich nicht verstehen.«
    »Ich hab’s verstanden«, mischte sich Lilly ein. »Fräulein Klimper ist heute zickig, beduselt und wieder zickig.«
    »Pah!« Fräulein Klimper verschränkte die Arme vor der Brust, straffte den Rücken und schmollte. Lilly ignorierte die kleine Fee.
    »Sie hat gesagt, dass nur ein Mädchen von der anderen Seite das Land und all seine

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