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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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vorgeschobensten Luftwaffenstützpunkt der NATO landen«, flüsterte Åke Stålhandske zurück.
    Die Landebahn konnte ohne weiteres schwere Bomber und Transportmaschinen aufnehmen, aber das Flughafengebäude von Kirkenes sah rührend klein aus, als wären sie buchstäblich ans Ende aller Fluglinien gekommen. Die Maschine rollte an einer kleinen sowjetischen Passagiermaschine vorbei, die wie eine Miniaturausgabe einer DC 9 aussah; Åke meinte, das sei wieder so ein typisches GRU-Ding; sie hätten die Zeichnungen gestohlen. Anna wußte nicht, was GRU bedeutete.
    »Glawnoje Rasweltitschelnoje Uprawlenije, elementary, my dear Watson«, flüsterte Åke Stålhandske und zwinkerte ihr zu. Anna schüttelte den Kopf.
    Ihr Gepäck kam fast sofort auf dem zehn Meter langen Transportband an. Åke Stålhandske lächelte fröhlich, als er sah, wie Anna sich ohne mit der Wimper zu zucken den zwanzig Kilo schweren Rucksack auf den Rücken wuchtete, und als er sich umsah, entdeckte er, wie perfekt norwegisch sie aussehen mußten. Die meisten Gepäckstücke, die aus der Maschine kamen, waren Rucksäcke, und die meisten Menschen um sie herum trugen Sport oder Freizeitkleidung.
    Ihre Rucksäcke hatten im Kofferraum des Taxis nicht genug Platz, so daß sie einen auf den Vordersitz legten, was das Entzücken des Fahrers weckte.
    »Ihr seid also frisch verlobt oder verheiratet«, bemerkte er munter, als er um das Auto herumging und sich auf seinen Platz setzte.
    »Wieso?« fragte Anna verblüfft.
    »Leute, die schon einige Zeit verheiratet sind, legen das überschüssige Gepäck auf den Rücksitz, und der Mann setzt sich auf den Beifahrersitz«, erklärte der Taxifahrer im gleichen munteren Tonfall. Sein Norwegisch war rein, geschliffen und leicht verständlich und erinnerte sie an die glatten Felsen an der Straße.
    »Wollt ihr zum Campingplatz?« fragte er.
    »Wie bitte? Nein… Nein, wir wollen zum Hotel Rica Arctica«, erwiderte Åke Stålhandske, als hätte ihn der Fahrer mit seiner Frage geweckt. Er war in Gedanken versunken gewesen, hatte über Landschaft, perfekte Asphaltstraßen und fehlende Deckung nachgedacht.
    Sie hatten erwartet, daß Kirkenes wie ein Fischerdorf aus dem neunzehnten Jahrhundert aussah mit hübschen kleinen bunten Bootshäusern an der Wasserlinie, eine Art Budenstadt; große Anleger aus Holz, riesige Anker aus der Pionierzeit der Seefahrt und derlei. Als sie sich der kleinen Stadt näherten, sahen sie jedoch etwas völlig Anderes und bedeutend Unromantischeres. Alles sah aus, als wäre es in den fünfziger Jahren oder später gebaut worden. Kirkenes wirkte wie eine gewöhnliche skandinavische Kleinstadt.
    Anna fragte den Taxifahrer nach dem Grund und bekam eine offene Antwort. Kirkenes war im Zweiten Weltkrieg eine Basis der Deutschen für die Angriffe vor allem auf Murmansk gewesen. Als die Rote Armee Kirkenes befreite, hatte es kaum noch etwas zu befreien gegeben. Nirgends in Norwegen hatte der Zweite Weltkrieg so hart zugeschlagen wie gerade hier oben im Norden.
    Als sie sich im Hotel Rica Arctica eintrugen, hatte die Dämmerung sich schon auf die Stadt gesenkt. Sie brauchten sich keine besondere Mühe zu geben, um ein frisch verliebtes Paar auf Vergnügungsreise zu spielen, und beschlossen kichernd, sofort aufs Zimmer zu eilen und sich wie frisch Verliebte zu verhalten. Bis zum Abendessen. Dann konnten sie fortfahren, bis zum nächsten Mittagessen die frisch Verliebten zu spielen.
    Die Aussicht aus dem Fenster war trist. Keine Rede von einem endlosen nördlichen Eismeer; was sie sahen, war ein Parkplatz. Das Zimmer hatte rosa gestrichene Wände und zu kleine Betten, und Anna fragte belustigt, ob die Norweger hier oben alle Zwerge seien.
    Åke Stålhandske brummelte, in der Südsee wären die Betten wohl noch kleiner gewesen. Er schob entschlossen einen Nachttisch mit einer Hand zur Seite und die beiden Betten mit der anderen zusammen. Doch dann überlegte er es sich anders und nahm den Hörer ab.
    »Ja, guten Tag, wir sind das schwedische Paar, das gerade angekommen ist«, sagte er und wartete eine Freundlichkeit ab, bevor er fortfuhr. »Es ist so, wir sind jung verheiratet und beide sehr groß, und jetzt möchten wir gern wissen, ob…«
    Er brauchte nicht mehr zu erklären. Nickte nur zustimmend, bedankte sich und legte auf.
    »Wir sollen in eine sogenannte svite rüber«, teilte er fröhlich mit.
    »Svite?« fragte Anna.
    »Ja. Das ist norwegisch und bedeutet Suite. Die haben eine Suite oder vielmehr

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