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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verschluckte sich fast vor Lachen, »nenn es weibliche Intuition. Ich habe nämlich die Kellnerin gefragt. Hast du dich für den letzten Abend bedankt?«
    »Aber ja. Ein schönes Haus haben sie sich gekauft, verteufelt schön.«
    »Ist es sehr klug gewesen, Carl anzurufen? Ich meine im Hinblick auf…«
    Sie hielt inne, als wollte sie den Gedankengang nicht fortsetzen.
    »Doch«, erwiderte er kurz. »Ich habe mich für die letzte Einladung bedankt und erzählt, daß es uns gutgeht, daß wir aber Schwierigkeiten bei der Wahl des Weins haben. Sonst nichts. Das bedeutet, daß es uns in jeder Hinsicht gutgeht.«
    Seine energische Antwort auf ihre Frage schnitt den Gesprächsfaden ab. Überdies kamen auch der Lachs und der Weißwein auf den Tisch, und sie kabbelten sich, wer den Wein probieren sollte. Er betonte, als Finne müsse er nur Branntwein probieren. Sie behauptete, es sei die Pflicht eines Gentleman. Um ein Haar hätte sie gesagt, die Pflicht eines Offiziers und Gentleman, bremste sich aber gerade noch rechtzeitig. Es endete damit, daß die Kellnerin einen Schluck trank und sagte, der Wein sei in Ordnung. Dann schenkte sie ein.
    Sie stürzten sich entzückt auf Speis und Trank. Sie hatten zum letzten Mal in der Maschine zwischen Stockholm und Oslo gegessen, was eine Ewigkeit zurückzuliegen schien. Doch das hatte vielleicht mehr mit der Entfernung als mit der Zeit zu tun. Sie befanden sich zwar in ihrem Nachbarland, aber trotzdem so weit weg, als wären sie nach Venedig geflogen, gut dreihundert Kilometer nördlich des Polarkreises.
    Als es an der Zeit war, zum Rentierfilet mit Preiselbeeren und Pfifferlingen überzugehen, nahm die Kellnerin erneut einen Schluck, diesmal vom Rotwein, den sie guthieß und einschenkte. Danach begannen die beiden, langsamer zu essen, und kamen erneut auf den Abend bei Carl und Teresia Maria Corazon zu sprechen, wie Tessies vollständiger Name lautete.
    »Sie erinnert irgendwie an Königin Silvia«, sagte Anna nachdenklich und spießte mit der Gabel Pfifferlinge auf. »Sieht irgendwie verdammt gut aus. Was hatte sie übrigens für eine Vorspeise gemacht, diese mexikanische?«
    » Enchiladas «, sagte er mit dem Mund voller Rentierfleisch, »aber die sind nicht so exotisch, wie du glaubst. Ganz Kalifornien schwimmt in Enchiladas. Das ist Chicano-Essen.«
    »Chicano?«
    »Ja. Die in Kalifornien lebenden Mexikaner nennt man Chicanos. Aber in der Firma haben wir tatsächlich so etwas wie eine Königin Silvia bekommen, obwohl man ihrem Schwedisch sowohl einen englischen als auch einen spanischen Akzent anmerkt und keinen deutschen wie bei Königin Silvia.«
    »Wie wollen wir es mit dem Hochzeitsessen halten? Das Thema haben wir an dem Abend nicht zu Ende bringen können.«
    »Zwei.«
    »Was soll das heißen, zwei?« kicherte sie.
    »Zwei Hochzeitsessen, ganz einfach. Du verstehst schon, Doppelleben. Erst eins mit meinem Vater und deinen Eltern. Ein Glück übrigens, daß dein Vater Reserveoffizier ist. Und dann ein zweites Essen für die Angehörigen der Firma draußen in Stenhamra, das hatten wir doch schon besprochen.«
    »Da müssen Tessie und ich gerade in der Küche gewesen sein.«
    »Du willst damit doch nicht sagen… Ich bin genauso oft in der Küche gewesen wie du oder sonst jemand.«
    »Warum ist es ein Glück, daß mein Vater Reserveoffizier ist?«
    »Weil es ihm dann etwas leichter fallen wird, einen armen Major zu akzeptieren!«
    »Sei nicht albern. Er hat nur vor einem Angst, daß ich mit einem Raucher nach Hause komme oder einem Yuppie oder, noch schlimmer, einem Schwächling , einem Hosenscheißer oder schlimmstenfalls einem Religionslehrer.«
    »Hosenscheißer?«
    »Ja. So hieß es wohl, als er jung war. Es muß etwas Schreckliches gewesen sein.«
    »Wir fahren morgen nach Murmansk.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, ich sagte gerade, wir fahren morgen nach Murmansk.«
    »Ich habe gesagt, wie bitte?«
    »Ja. Da draußen an der Telefonzelle ist ein kleiner Zettel. Jeden Morgen um acht macht ein Schiff eine Tagestour dorthin. Man braucht nicht mal ein Visum.«
    Er aß weiter, als hätte er nur etwas Selbstverständliches ohne besondere Pointe gesagt, doch sie legte sofort Messer und Gabel hin. Er sah sie verstohlen an und merkte, daß sie ängstlich war.
    »Sind wir Spione?« flüsterte sie.
    »Ach was, keine Spur«, erwiderte er schnell und strahlte.
    »Jedenfalls nicht, wenn wir es nicht selbst glauben. Für Spionage braucht man einen bestimmten Seelenzustand, und in dem befinden

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