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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Devisen umging, so daß man sich schnell einig wurde.
    Auf dem Weg hinaus wechselten sie Geld, und zwar höchst legal bei einer außerordentlich mürrisch dreinblickenden älteren Frau, die in dem gewaltigen Hotelfoyer hinter einem kleinen Schalter saß. Åke Stålhandske achtete darauf, den Wechsel registrieren zu lassen und eine Quittung für die Transaktion zu erhalten. Doch als das norwegische Paar ihn fragte, wieviel er eingetauscht habe, und er »zweihundert Dollar« sagte, lachten sie laut los und erklärten, es werde ihm schwerfallen, das Geld auszugeben. Da stand er nun mit mehreren Geldscheinbündeln in Bankbanderolen und fühlte sich ein wenig albern. Jetzt fiel ihm wieder ein, daß sechs Rubel der höchste Einkaufsbetrag waren.
    Die Norweger lachten nur. Solche Bestimmungen kämen und gingen, kein Mensch kümmere sich darum.
    Ein paar hundert Meter vom Hotel entfernt an der Hauptstraße lag ein Berioska-Laden für den Einkauf mit Rubeln. Die Norweger führten sie resolut zu der Abteilung für Textilwaren. Riesige, mit großer Kunstfertigkeit bestickte weiße Leinentücher kosteten so wenig, daß es dem dicken Rubelhaufen Åke Stålhandskes gar nicht anzumerken war. Er hatte etwas mehr als zwanzigtausend Rubel bei sich und erfuhr, daß ein anständiges russisches Jahreseinkommen bei fünftausend Rubeln lag. Anna wurde nach einiger Zeit recht eifrig und hatte schließlich eine kleinere Ladung von Leinenservietten und Tüchern zusammenbekommen. Åke Stålhandske wurde etwas enthusiastischer, als sie darauf hinwies, daß dies ihr erster gemeinsamer Einkauf sei, denn hier legten sie den Grundstein zu einem Zuhause. Sie fand etwas Kunsthandwerk aus Stein, Kerzenhalter aus Granit mit Messingbeschlagen sowie einige dazu passende Aschenbecher, und Åke Stålhandske lief mit den kleinen Quittungen immer wieder zur Kasse und schälte die Geldscheine ab, die man von ihm verlangte, bevor er mit den gestempelten Quittungen zurückkehrte, damit die Waren übergeben werden konnten.
    Schließlich fand er selbst einen Walroß-Stoßzahn mit eingravierten magischen Zeichen, wie es schien, und mit diesem Kauf gelang es ihm, sein Rubelbündel auf eine hantierbare Größe zu reduzieren.
    Auf der Straße, als sie zu dem einzigen Devisenladen der Stadt unterwegs waren, wurden sie erneut von Menschen überfallen, die ihnen höchst merkwürdige Dinge verkaufen wollten. Åke Stålhandske stand plötzlich da und starrte einen halb in einer Handfläche verborgenen Roten Stern an, die Auszeichnung, die sein Chef einmal erhalten hatte. Der Mann, der sie verkaufen wollte, sah heruntergekommen aus und wollte hundert Dollar dafür haben. Åke Stålhandske fragte vorsichtig, ob die Auszeichnung dem Mann gehörte, und erhielt eine recht mürrische, aber überzeugende Bestätigung. Ihm brach plötzlich kalter Schweiß aus. Er sah sich verzweifelt nach seinen Begleitern um, die schon ein Stück weitergegangen waren.
    Er zog einen Zwanzig-Dollar-Schein aus der Tasche und versuchte in seinem ungeübten Russisch zu erklären, daß jemand, der den Roten Stern bekommen habe, ihn nicht verkaufen solle, aber von Kollege zu Kollege, ja, er versuchte zu erklären, er wollte den Orden nicht kaufen, aber einem Kollegen aus Sympathie zwanzig Dollar geben. Er zeigte erst auf sich und dann auf den mürrischen, beschämten Kollegen, übergab ihm die zwanzig Dollar und ging, ohne den Roten Stern an sich zu nehmen.
    Als er ein paar Meter gegangen war, holte der Mann ihn ein und versuchte ihm fast verzweifelt die Medaille aufzudrängen. Åke versuchte erneut zu erklären, was er eigentlich mit »Kollege« gemeint habe. Er wollte keineswegs einen Freundschaftsbeweis, sondern habe seinem Kollegen nur helfen wollen. Der unrasierte und zerlumpte Mann argumentierte mit einem heftigen Wortschwall auf russisch, von dem Åke Stålhandske nur den Begriff »anständige Manieren« verstand. Er versuchte, freundlich den Kopf zu schütteln, und weigerte sich, den Dollarschein zurückzunehmen, und als er Anstalten machte zu gehen, steckte ihm der Russe blitzschnell die Medaille in die Jackentasche und rannte weg. Åke blieb mit all seinen Paketen in den Händen wie ein Trottel stehen und schämte sich. Er spürte, wie er errötete. Dann holte er die anderen ein und erzählte traurig von dem Vorfall.
    Die Norweger trösteten ihn damit, daß zwanzig Dollar immerhin mehr als zweitausend Rubel seien, ein halbes Jahresgehalt.
    In dem Devisenladen wurden vor allem schottischer und

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