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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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das, was man zu sehen glaubt.«
    Beide lachten erneut, und Tessie kostete mißtrauisch von dem Wein.
    »Also gut«, sagte Carl. »Dann stürzen wir uns in den Abgrund. Kein Raten, keine Fragespiele, sondern direkt zur Sache, als wäre alles selbstverständlich und einfach. Wir trinken einen Chablis Premier Cru.«
    Der Alte verzog keine Miene.
    »Bist du deiner Sache absolut sicher?« fragte er.
    »Ja«, erwiderte Carl schnell, »so sicher man überhaupt sein kann.«
    Der Alte nickte nachdenklich, als wollte er die Spannung noch etwas steigern.
    »Du hast sonst meist bessere Feuerdisziplin«, knurrte er mit etwas wie gespieltem Mißvergnügen.
    »Nein«, entgegnete Carl. »Ich wußte, daß ich nur eine Chance zum Feuern hatte, und wählte die sicherste Möglichkeit.«
    »Na schön«, sagte der Alte, »ich gebe auf. Aber hältst du dich bei Wein wirklich für so teuflisch sicher, daß du so etwas ohne jeden Zweifel entscheiden kannst?«
    »Ganz und gar nicht«, entgegnete Carl. »Aber du verstehst andererseits rein gar nichts von Wein, da du ein Cidretrinker bist. Du sagtest, du hättest den Wein meinetwegen gekauft oder etwas in der Richtung. Moselblümchen trinkst du selbst. Deswegen mußt du dich übrigens gar nicht schämen, denn im Sommer ist es ein angenehmer Nachmittagswein, paßt gut zu Äpfeln. Und dann hast du etwas gekauft, was du von mir gelernt hast, einen Wein, den ich mal mitgebracht habe. Ich habe aber nur drei Weißweinsorten nach Kivik mitgebracht. Und Chablis hat eine grünere Farbe als die beiden anderen, und von denen kommt einer aus ganz anderen Gründen nicht in Betracht. Eine qualifizierte Vermutung also. Aber wenn du gar nichts gesagt hättest…?«
    »Dann wäre es ein peinlicher Scherz geworden, wenn du nichts gemerkt hättest.«
    »Wie rücksichtsvoll von dir.«
    »Kabbelt ihr beiden euch immer so?« fragte Tessie.
    »Aber sicher«, erwiderte der Alte munter und schob seine buschigen, frisch gebürsteten Augenbrauen in die Stirn, so daß er wie ein Uhu aussah, »obwohl es dabei meist um ernstere Zusammenhänge geht. Aber all das ist für uns beide ja jetzt zu Ende. Also müssen wir uns jetzt mit solchen Rentnerspielchen begnügen. Und was gibt es für einen Rotwein zum Essen, Carl? Was meinst du?«
    »Was essen wir denn?«
    »Wildente.«
    »Wildente? Also gewildert?«
    »Selbstredend. So schmeckt sie besser. Nun?«
    »Ist das wieder eine Falle?«
    »Nein. Nun?«
    »Chambertin 1981.«
    »An den Jahrgang kann ich mich nicht erinnern, aber Chambertin ist richtig.«
    Tessie schüttelte nachsichtig lächelnd den Kopf und stand auf. Sie sagte, sie wolle einen kleinen Spaziergang am Strand machen, da es dort so schön aussehe und das Meer so anders rieche.
    Der Alte sah ihr bekümmert nach.
    »Ein rasend hübsches Mädchen, aber ich glaube, ich bin ein ziemlich dämlicher Gastgeber und alles andere als gentlemanlike. Wir müssen das beim Essen reparieren.«
    »Du kannst jetzt wieder schwedisch sprechen. Dein Englisch ist übrigens besser, als ich gedacht habe«, sagte Carl, der Tessies entschwindenden Rücken fixierte.
    Der Alte wechselte Sprache und Gesprächsthema. Und Carl, der ihn besser kannte, als er je seinen Vater gekannt hatte, wußte sofort, was die Stunde geschlagen hatte.
    »Wie fühlst du dich eigentlich?« fragte der Alte mit einer Miene, die deutlich zu erkennen gab, daß die Antwort kaum so kurz geraten konnte wie die Frage. Der Alte hielt unbewußt den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, wenn er die Rolle des Chefs aufgab und in die des Psychologen schlüpfte.
    »Besser, als du dir vorstellen kannst, und besser, als ich es verdiene. Der entscheidende Grund ist, daß Tessie und ich heiraten werden.«
    An dieser Stelle hielt Carl fast resigniert inne, denn er wußte, daß der Alte nicht so leicht lockerlassen würde, auch wenn er jetzt aus rein gesellschaftlichen Gründen zu einer Kursänderung gezwungen war.
    »Aber das ist ja eine fabelhafte Neuigkeit«, platzte der Alte heraus. »Die kalifornische Liebe hat sich am Ende also am dauerhaftesten erwiesen. Wann ist es soweit?«
    »Das wissen wir noch nicht. Du bist übrigens der erste, der es erfährt. So schnell wie möglich, nehme ich an.«
    »Ja, das dürfte am besten sein. Aber sonst? Wie steht es denn diesmal mit der Reue? Ja, ich habe deine Berichte gelesen. Das rein Operative kannst du also überspringen. Kompliment, übrigens, die Dankbarkeit einer ganzen Nation und all das. Aber jetzt möchte ich mehr über deine Reuegefühle

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