Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
sollten. Dieser Entscheidung durfte keine Diskussion vorausgehen, da alle Übungen unter absoluter Funkstille durchgeführt werden mußten.
    Luigi empfand die Übung in dieser Phase als etwas verdreht, da mehrere der Springer hinter ihm in dieser Präzisionsübung weit geschickter waren als er selbst. Einige verfehlten das Ziel so gut wie nie um mehr als ein paar Zentimeter. Überdies mußten sie berücksichtigen, daß die andere Gruppe Zeit zum Landen und zum Verschwinden brauchte. Luigi mußte also nicht nur die letzten Kreisbewegungen in der Luft berechnen, damit sie nicht zu schnell hinunterkamen, sondern auch bedenken, daß sie sich nicht zu weit entfernten. Kurz vor dem Landen brauchten sie genügend Höhe, um in den Wind zu gehen und aufs Ziel zustürzen zu können.
    Von den zehn Mann landete der schlechteste mit den Füßen zweieinhalb Meter von der Mitte der roten Zielmarkierung entfernt.
    Carl erschien zur üblichen Bürozeit zur Arbeit, als wäre es irgendein beliebiger Montagmorgen. Er war nicht darauf eingestellt, daß sich etwas Besonderes ereignete. Er wollte nur einen angekündigten Bericht Luigis von der Fallschirmjägerschule durchsehen, in dem es um verschiedene Materialtests und den eventuellen Einkaufsbedarf ging. Carl würde Texas Slim Nachricht geben, daß sie Material brauchten. Die Anforderung würde auf dem üblichen Weg erfolgen, nämlich bei einer Reise nach Ridgecrest. Der Chef der Fallschirmjägerschule würde den Weitertransport nach Schweden oder zu einem anderen Bestimmungsort organisieren. Im Fall Siziliens war das auch gutgegangen.
    Beata kam ihm jedoch mit einem Zettel von der Sekretärin des Ministerpräsidenten entgegen. Er solle anrufen, sobald er im Büro sei. Als er sich meldete, wurde er aufgefordert, praktisch auf der Stelle zu erscheinen, da der Ministerpräsident in seinem Terminplan nur jetzt eine Lücke hatte.
    »Zu Befehl«, seufzte er. Mit Ausflüchten würde er jetzt nicht weiterkommen. Einen höheren Chef als den Ministerpräsidenten gab es nicht. Wenn man das Grundgesetz ein wenig dehnte, würde man vielleicht den König als noch höhere Macht ansehen können, denn der hatte wenigstens vier Admiralssterne. Dem König konnte man vielleicht absagen, aber nicht dem Ministerpräsidenten.
    Außerdem konnte es nur um eine Sache gehen, die größte von allen. Carl trug Jeans und Lederjacke und überlegte, ob er in dieser Kleidung erscheinen konnte. Dann holte er seufzend seine Uniform aus dem Schrank und entdeckte, daß er die neuen Rangabzeichen noch nicht hatte annähen lassen. Jetzt blieb dazu keine Zeit mehr. Der Unterschied zwischen Fregattenkapitän und Kapitän zur See war allerdings nur klein: Bei einem Kapitän zur See war die oberste Linie unter der Marineschleife etwas dicker als die anderen, während ein Fregattenkapitän Streifen von gleicher Breite hatte. Carl kam zu dem Urteil, daß einem Nicht-Militär dieser kleine Unterschied nicht auffallen konnte.
    Es war das erste, was dem Ministerpräsidenten auffiel.
    »Ich dachte, wir hätten deutlich zum Ausdruck gebracht, daß du jetzt Kapitän zur See bist«, sagte er und hob erstaunt die Augenbrauen, als Carl das Zimmer betrat.
    »Ja, natürlich«, erwiderte Carl verlegen, »aber ich trage nur selten Uniform, und in den letzten Tagen haben mich Dinge beschäftigt, die ich für wichtiger hielt.«
    »Wichtiger? Ach so, aha, was ist denn wichtiger, bitte, setz dich doch«, sagte der Ministerpräsident mit einer Geste zu seiner hellblauen Sitzgruppe.
    »Danke«, sagte Carl und setzte sich, immer noch etwas verlegen.
    »Ich habe beispielsweise geheiratet, wenn auch nicht in Uniform.«
    »Wie schön, gratuliere«, sagte der Ministerpräsident lächelnd.
    »Ich habe dich aus zwei Gründen hergebeten. Einer könnte im Gesamtzusammenhang unbedeutend erscheinen, doch das liegt, wie du vielleicht verstehst, an unserer zweiten Angelegenheit. Um die kleine Sache zuerst zu nehmen: Ich habe vor, eine besondere sicherheitspolitische Gruppe für eher informelle Diskussionen einzurichten. Ich meine, neben der politischen sollte dabei möglichst viel andere Kompetenz versammelt sein.«
    »Ja«, sagte Carl fragend, »aber ihr Politiker habt doch sozusagen den Ball. Ihr entscheidet, und wir führen aus.«
    »Ja, das ist gewiß wahr«, sagte der Ministerpräsident mit gerunzelter Stirn. Er hatte den Verdacht, irgendwie abgebürstet worden zu sein. »Manche Gespräche profitieren aber davon, wenn man Kompetenzen mischt. Besonders eine

Weitere Kostenlose Bücher