Niemandsland
Verteidigungsministers dar, daß man es den Finnen nachtun solle. Man müsse irgendeinen politischen Kanal nach Moskau herstellen, um dort mit der richtigen Person einen eventuellen schwedischen Einsatz zu diskutieren.
Der Ministerpräsident überlegte kurz, bevor er fortfuhr: »Der Verteidigungsminister ist gerade nach Helsinki gereist und wird dort unter anderem mit dem finnischen Präsidenten zusammentreffen, in einer anderen Angelegenheit. Allerdings soll er diesen auch in geeigneter Form darüber informieren, daß Schweden sich auf die Eventualität vorbereitet, von Finnland den Staffelstab zu übernehmen. Die Frage, wen wir nach Moskau schicken sollen, ist schon schwieriger. Wenn wir uns der normalen diplomatischen Kanäle bedienen, wären wir gezwungen, gleichzeitig etliche Beamte über die ganze Angelegenheit zu informieren, und das bringt so offenkundige Nachteile mit sich, daß ich sie nicht aufzuzählen brauche.
Wir sind daher zu dem Schluß gekommen, daß du der geeignetste Emissär bist – wenn auch nicht ohne Zögern, denn immerhin hast du in Moskau schon mal einen diplomatischen Auftrag gehabt. Doch bist du mit allem vertraut, was an praktischen Fragen auftauchen kann.
Der Weg zu Gorbatschow soll über Jewgenij Primakow führen, den Anders Lönnh von früher her kennt. Primakow hat den Auftrag erhalten, den neuen Nachrichtendienst zu führen. Entweder ist er mit der Angelegenheit schon vertraut, was sich schnell zeigen wird, oder er kann auf jeden Fall einen persönlichen Kontakt zu Gorbatschow herstellen.«
Der Ministerpräsident machte eine Pause, sah erneut auf die Uhr und fragte, ob Carl den Auftrag verstanden oder ob er irgendwelche Einwände habe.
»Nun ja«, erwiderte Carl nach einer Weile, »wenn wir dem finnischen Präsidenten, der schon einige Bedenken zu haben scheint, erzählen, daß wir uns darauf vorbereiten, die Verantwortung zu übernehmen, dürften wir seine Zweifel automatisch verstärken. Ich weiß nicht recht… Die Frage meiner früheren diplomatischen Mission in Moskau ist nicht unkompliziert. Sie war ganz einfach ein Cover für einen anderen Auftrag, den ich dort erledigt habe. Und die Russen haben keinen Grund, darüber besonders entzückt zu sein.«
Carl wußte nicht, ob die neue Regierung die Details der Geschichte kannte, die in der Weltpresse ohne sonderliche Faktenkenntnis beschrieben worden war, nämlich wie er den schwedischen Spion Stig Sandström in Moskau getötet hatte.
»Du denkst an Stig Sandström? Es stimmt natürlich, daß du ihn getötet hast?« sagte der Ministerpräsident. Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Meine Schweigepflicht…«, begann Carl zögernd.
»Deine Schweigepflicht dürfte kaum für den Ministerpräsidenten des Landes gelten.«
»Nein, das kann sie natürlich nicht. Ja, ich habe Stig Sandström befehlsgemäß getötet.«
»Aber das Ganze endete doch damit, daß die Russen dir den Roten Stern verliehen haben?«
»Ja, allerdings für etwas ganz anderes. Wir haben zusammengearbeitet, als es darum ging…«
»Ja, ich weiß«, unterbrach ihn der Ministerpräsident. »Aber das dürfte vergeben und vergessen sein. Jedenfalls kann es ihren Respekt vor dir doch nicht verringern?«
»Möglich. Aber das kann ich nicht beurteilen, und ich möchte auch nicht darüber spekulieren. Nein, ich könnte wohl fahren. Ich würde es allerdings vorziehen, im Schutz diplomatischer Immunität zu reisen.«
»Du hast doch sicher noch deinen Diplomatenpaß.«
»Nein. Der Staatssekretär im Außenministerium, Peter Sorman, hat immer sorgfältig darauf geachtet, den Diplomatenpaß nach jedem Auftrag zurückzufordern«, erwiderte Carl in neutralem Tonfall und ohne den Anflug eines Lächelns.
Der Ministerpräsident lachte laut los und versicherte, dieser kleine Fehltritt werde sich schnell korrigieren lassen. Oben im Ministerium warte ein Handschreiben des Verteidigungsministers, und Carl solle so schnell wie möglich abreisen. Damit sah er erneut auf die Tür, stand auf und reichte Carl die Hand zum Abschied.
»Wenn sich die Dinge ein wenig beruhigt haben, wird sich unsere Zusammenarbeit gut entwickeln, denke ich«, sagte er, als sie sich die Hände schüttelten.
»Das denke ich auch«, erwiderte Carl mit förmlicher Höflichkeit. Er streckte sich zu einem kurzen Abschiedsgruß und ging zur Tür, wo eine nervöse Sekretärin schon mit Akten in der Hand dastand. Hinter ihr wartete eine Delegation, die ungeduldig auf und ab ging – »Noch
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