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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Koalitionsregierung läuft ja Gefahr, in festgefahrenen parteipolitischen Bahnen zu diskutieren, und wenn es um die Sicherheitspolitik geht, halte ich es für einen Vorteil, wenn man sich nach Möglichkeit davon löst und direkter zur Sache kommt. Wenn man bestimmte Dinge sozusagen voraussetzungslos analysieren kann.«
    »Das klingt sehr vernünftig«, sagte Carl gewandt, aber unengagiert. Es fiel ihm schwer zu erkennen, was er damit zu tun hatte.
    »Und diese Gruppe, die aus höchstens fünf Personen mit mir als Vorsitzendem bestehen soll, muß natürlich auch militärische Kompetenz haben«, fuhr der Ministerpräsident – für Carls Geschmack etwas hochmütig – fort.
    »Natürlich, das kann nur richtig sein«, erwiderte Carl ebenso gewandt, »eine Art Miniaturausgabe des National Security Council also?«
    »So könnte man es nennen.« Der Ministerpräsident machte eine Kunstpause, bevor er zur Sache kam. »Und ich hatte gehofft, dich dafür zu gewinnen.«
    Carl blieb die Antwort schuldig. Der Vorschlag kam vollkommen unerwartet und hörte sich außerdem in mehrerer Hinsicht unsinnig an.
    »Wie stellst du dich dazu?« fragte der Ministerpräsident erstaunt, da eine unmittelbare Reaktion ausblieb.
    »Nun ja«, erwiderte Carl zögernd, »es ist ja keine Übertreibung, daß dieser Vorschlag unerwartet kommt. Ich frage mich, wie man sich beim Generalstab dazu stellt.«
    »Wieso? Übrigens, wenn wir unter uns sind, können wir ganz im Vertrauen sprechen. Aber wieso?«
    »Ja… ich bin achtunddreißig Jahre alt und frischgebackener Kapitän zur See. In unserer hierarchisch ziemlich streng gegliederten militärischen Struktur dürften viele Vorgesetzte mächtig gekränkt sein, glaube ich. Ich meine, in unseren Stäben wimmelt es von Generälen, die sich ihr Leben lang mit strategischen Analysen beschäftigt haben. Kurz, dort würde man ziemlich mit den Zähnen knirschen.«
    »Das kann uns absolut egal sein«, entgegnete der Ministerpräsident brüsk. »Du bist nämlich der stellvertretende Chef unseres Nachrichtendienstes, und das bedeutet nicht nur einen bestimmten Bildungsgrad, oder wie wir das nennen sollen, sondern auch die bequeme Möglichkeit, ohne viel Bürokratie besondere Erkenntnisse zu gewinnen. Die Alternative wäre gegebenenfalls dein Chef, aber damit landen wir nur eine Sprosse höher und würden das Zähneknirschen von Generälen nicht verringern. Also, was sagst du?«
    »Was ich sage?« erwiderte Carl lächelnd. »Der Ministerpräsident des Landes bittet mich, für eine bestimmte Arbeit bereitzustehen. Dann sage ich entweder ja, Herr Ministerpräsident, oder kündige, und ich habe nicht die Absicht zu kündigen.«
    »Hast du irgendwelche politischen Bedenken? Stimmt es übrigens, daß du immer noch so eine Art Marxist bist?«
    »Ja, in gewissem Sinn dürfte es immer noch wahr sein«, lächelte Carl frech und optimistisch, da er plötzlich einen unerwarteten Fluchtweg zu erkennen glaubte, »aber ich könnte beim besten Willen nicht behaupten, daß ich in der letzten Zeit ein angewandtes sozialistisches Leben geführt habe. Eher das Gegenteil, fürchte ich.«
    »Aha, aber in der Hinsicht bist du kaum der einzige. Was wählst du übrigens?«
    »Ich wähle überhaupt nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Wenn ich versuchen sollte, auf diese Frage eine elegante Antwort zu formulieren, könnte ich sagen, daß es jetzt beispielsweise merkwürdig wäre, für eine Regierung zu arbeiten, gegen die ich gestimmt habe.«
    »Und wenn du es weniger elegant, aber vielleicht etwas wahrheitsgemäßer ausdrücken könntest?« lächelte der Ministerpräsident.
    »Wenn ich meinem Beruf gemäß gewählt hätte, hätte ich Sie gewählt, Herr Ministerpräsident, aber das hätte wiederum im Widerstreit mit vielen Werturteilen gelegen, denen ich anhänge, wenn es um anderes geht als Verteidigungspolitik. Umgekehrt muß ich bedenken, daß die Linken die Streitkräfte abschaffen wollen.«
    »Und in diesem Dilemma hältst du es für praktisch, dich auf hehre Grundsätze zurückzuziehen?«
    »Ja, das beschreibt es ziemlich genau.«
    »Ich glaube tatsächlich, daß wir uns gut vertragen können«, stellte der Ministerpräsident zögernd fest. Carl hatte, sicherlich gegen seinen Willen, auf den neuen Regierungschef des Landes einen glänzenden ersten Eindruck gemacht.
    Der Ministerpräsident sah auf die Uhr. Sein Blick wurde etwas gehetzt, und er ging ohne Vorrede zu der großen Frage über. Er legte kurz seinen Standpunkt und den des

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