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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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jederzeit bereitliegen haben. Es muß möglich sein, in Straßenkleidung dort zu erscheinen, sich umzuziehen und in einer halben Stunde einsatzbereit zu sein. Insoweit alles klar?«
    »Insoweit alles klar«, bestätigte Åke Stålhandske.
    »Leg den Hirsch doch hin, übrigens«, sagte Carl zerstreut.
    »Es war fast ein Scherz, dich das Vieh allein tragen zu lassen. Das tut kein Mensch. Nun, wir brauchen auch für jeden Mann einen Satz Zivilkleidung, zivile Touristenkleider, na ja, du verstehst schon. Du nimmst die zivilen Klamotten und fährst mit Luigi und diesem Matti Heiskanen nach Ivalo. Dort richtet ihr euch häuslich ein und fangt an zu jagen, zu fischen und Schneemobil zu fahren. Insoweit verstanden?«
    »Alles verstanden«, bestätigte Åke Stålhandske verwundert.
    »Nach einiger Zeit läßt du Luigi und diesen Heiskanen allein dort oben und vereinigst dich sozusagen mit der Hauptstreitmacht. Du hast sicher schon verstanden, daß wir beide diese Aktion leiten müssen, nicht wahr?«
    »Ja«, bestätigte Åke Stålhandske und blickte auf den grünen, lebenden Augenreflex des toten Hirschkalbs. »Ja, der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Es ist ein ganz verteufelt unangenehmer Auftrag.«
    »Kann man wohl sagen«, bestätigte Carl und bückte sich. Er nahm die beiden Hinterläufe des Kalbs und gab Åke Stålhandske ein Zeichen, die Vorderläufe zu packen. Sie gingen schweigend mit dem Kalb zwischen sich zum Haus hinauf. Der schlaff herabhängende Kopf des Hirschkalbs schleifte auf der dünnen Schneedecke.
    »Wie viele haben auf einem Schneemobil Platz?« fragte Carl nach langem Schweigen, als sie das Gatter des Geheges verließen und er nach dem Schlüssel für das große Vorhängeschloß tastete.
    »Maximal vier mit einem Anhänger dahinter«, erwiderte Åke Stålhandske nachdenklich.
    »Dann werden wir also sechs Mann«, sagte Carl. »Du, ich und vier Fallschirmjäger. Irgendwelche Fragen oder Einwände?«
    »Nein«, seufzte Åke Stålhandske. »So wie ich es sehe, haben wir keine Wahl. Das ist wirklich ein höllischer Auftrag.«
    »Ja«, sagte Carl und biß wieder die Zähne zusammen. »Ein höllischer Auftrag. Interessante Hochzeitsreise, die wir beide da vor uns haben.«
    Kolja Mordawin fühlte sich allmählich bedeutend ruhiger. Die Panik der ersten Nacht lag schon erstaunlich lange zurück. Aber da war es natürlich ganz besonders schwierig gewesen. Es hatte ein Schneesturm geherrscht, ganz nach Plan, und die Sicht war fast gleich Null gewesen. Sie hatten größte Mühe gehabt, die Schlitten zu finden. Und dann war es ihnen fast genauso schwergefallen, zur Bahnlinie zu finden, da der Schnee alles zudeckte. Zunächst waren sie in die falsche Richtung gegangen und hatten sich vom Ziel entfernt, statt sich ihm zu nähern. Zum Glück hatten sie den Fehler ziemlich schnell bemerkt.
    Sie mußten schon auf weniger als fünfzig Meter an das Gebäude herangekommen sein, als sie die Lichter entdeckten und kurz darauf den verlassenen Bahnsteig, an dessen hinterem Ende sich drei besonders markierte Stahlkoffer befinden sollten.
    Es war ein bemerkenswertes, traumähnliches Gefühl, unter Stöhnen und Flüchen die Schlitten an den Bahnsteig heranzuziehen und dann hinaufzugehen und mit dem Beladen zu beginnen. Sie waren jetzt zwölf Mann, die konzentriert arbeiteten, und das nur ein paar Dutzend Meter von einer oder mehreren Kompanien entfernt, die im Hauptgebäude arbeiteten. Sie schufteten mehr als eine Stunde, bis sie mit dem Beladen fertig waren. Immerhin waren sie gezwungen, zu acht gleichzeitig zu heben, und sie hatten allerlei Mühe mit Tragriemen und anderem, bis es endlich klappte.
    Sie schleppten erst den einen, dann den anderen Schlitten rund fünfzig Meter weit weg, da die Sicht nicht mehr betrug. Dann zogen sie die Schlitten abwechselnd Meter um Meter weiter, was sie in dem Moment als eine unmögliche Aufgabe empfunden hatten. Kolja erinnerte sich noch, wie er vor Resignation und Ohnmacht um ein Haar in Tränen ausgebrochen wäre. Und so sollten sie noch mehr als dreihundert Kilometer weitermachen.
    Als die Arbeit der ersten Nacht beendet war, oder sie vielmehr nicht mehr die Kraft hatten weiterzumachen, hatten sie sich erst achthundert Meter entfernt. Sie waren verschwitzt und nervös, brüllten sich gegenseitig an und schufteten und quälten sich mehr als eine Stunde lang, bevor sie es schafften, die Zelte in den schweren Schlitten richtig zu befestigen. Dann lagen sie vor dem Einschlafen in ihren

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