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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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das erledigt war, mußte er seine Tischdame suchen; Tessies Tischherr hatte keine Schwierigkeit, die richtige Frau zu finden. Gräfin Hamilton war schon von weitem zu erkennen. Carl hingegen mußte sich durchfragen, bis er seine Dame gefunden hatte, und jetzt saß er also mit der nicht gerade übermäßig begabten Ehefrau irgendeines schwedischen Industriebosses am Tisch und schmollte ganz unnötig. Es war ja nicht ihre Schuld, daß dieses Spektakel ihm Unbehagen bereitete.
    Seine Entschlossenheit, seine schlechte Laune nicht an der Tischdame auszulassen, wurde schon bald auf harte Proben gestellt. Ihr Sohn sei in Lundsbergs Internat und habe einen Klassenkameraden namens Hamilton, ob es vielleicht ein naher Verwandter sei? Sei er selbst ein alter Lundsberg-Schüler?
    Carl antwortete zunächst freundlich, daß er seit der Oberstufe in Stockholm gewohnt habe. Im übrigen wäre seine politische Arbeit in diesen Jugendjahren erheblich erschwert worden, wenn er Lundsberg-Schüler gewesen wäre.
    Sie versicherte, o nein, das wäre sicher gutgegangen, da der konservative Schülerclub in Lundsberg äußerst aktiv sei. Die Jungs seien politisch sehr interessiert, besonders an Steuerfragen.
    »Ja, das ist es gerade«, entgegnete er fast schadenfroh, »genau das hätte zu Problemen führen können, denn ich war als Schüler Mitglied der Clarté, und in Lundsberg dürfte es kein einziges Clarté-Mitglied gegeben haben.«
    Seine Tischdame wußte nicht, was Clarté war, und verwechselte offenbar diese Organisation mit irgendeiner Uppsala-Sekte in der eher dunkelbraunen rechten Ecke. Er ließ die Sache auf sich beruhen, ohne darauf hinzuweisen, daß Clarté eine kommunistische Organisation war, die auf dem Marxismus-Leninismus und dem Denken Mao Tse-tungs beruhte, wie man damals sagte. Das Gespräch verweilte eine Zeitlang auf politischem Gebiet, da seine Tischdame die beiden Führer einer populistischen Rechtspartei zu loben begann, die bei der letzten Wahl in den Reichstag gekommen war. Er fragte mit anscheinend aufrichtigem Interesse, wem sie den Vorzug gebe, dem verrückten Grafen oder dem Tivoli-Besitzer?
    Sie erwiderte etwas unsicher, der fragliche Graf sei ihrer Meinung nach nicht direkt verrückt, obwohl sie gehört habe, daß er einer der berüchtigsten Fest-Verderber des Landes sei, aber die Hauptsache sei ja wohl, daß jemand endlich mal offen sage, daß Schweden kein Einwandererland sei.
    Carl erwiderte zuckersüß, seine Familie sei zwar schon vor rund sechshundert Jahren eingewandert, aber vielleicht sei ihre Familie etwas schwedischer? Andererseits habe er eine Kanakenfrau geheiratet, die erst vor einem Jahr eingewandert sei. So was komme schließlich in den besten Familien vor, nicht wahr?
    Er bereute seine Reaktion. Jetzt hatte er sich schon wieder auf überflüssige Scherereien eingelassen. Er wechselte schnell das Thema, begann von dem Weingebiet zu erzählen, aus dem der Rotwein kam. Nach einer Weile fragte sie ihn, ob er der Meinung sei, daß die russischen U-Boote noch immer in den Schären Stockholms herumführen, da Gorbatschow doch so lieb geworden sei. Er erwiderte vorsichtig, der Nachrichtendienst habe nicht das Recht, sich über die Herkunft der U-Boote zu äußern, aber ja, es gebe immer noch fremde Unterwasser-Aktivitäten in schwedischen Gewässern, und das ganz unabhängig von Gorbatschows Liebenswürdigkeit.
    Als die lange Mahlzeit durchlitten war, erhoben sich alle und folgten dem König und der Königin wieder in den Weißen Saal, in dem alles angefangen hatte. Die Gesellschaft formierte sich jetzt so, daß König und Königin an einer Schmalseite standen und die Gäste sich am anderen Ende des langen Raums versammelten. Carl suchte den Ehemann seiner Tischdame in der Hoffnung auf, diese loszuwerden, blieb jedoch in einer Unterhaltung über die industriepolitische Bedeutung der schwedischen Flugzeugproduktion stecken. Dazu hatte er jedoch keine besondere Meinung und versuchte sich mit dem Scherz aus der Klemme zu ziehen, daß er es als Seemann natürlich für wichtiger halte, mehr Geld für die Marine bereitzustellen. Plötzlich tauchte der Hofmarschall von hinten auf, tippte ihm auf die Schulter und fragte, ob er Kapitän zur See Carl Hamilton sei.
    Carl war zunächst sprachlos, da er nicht wußte, ob er die Frage ernst nehmen sollte; wenn auch aus keinem anderen Grund, da er der einzige Anwesende im Rang eines Kapitäns zur See war. Doch nachdem er bejahte, erhielt er den Bescheid, Seine

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