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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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gewöhnliche gottverdammte Schwarzmarkttricks. Er hatte sich nicht vorstellen können, hereingelegt zu werden, da er fast den doppelten Preis gezahlt hatte. Dieser raffgierige Schwarzmarkthai hatte natürlich seine Möglichkeit gerade darin gesehen, daß Kolja so freigebig zahlte. Kolja war irgendwie davon ausgegangen, nicht hereingelegt werden zu können, da sein Vorhaben so groß und wichtig war. Als ob es diesem gottverdammten Schwarzmarktganoven darauf angekommen wäre!
    Kolja trocknete sich wütend die Tränen, die ihm sonst die Augenwinkel vereist hätten, und begann schnell, die Lebensmittel zu sortieren, die noch da waren. Sie brauchten noch Nahrung für zwei Wochen. Was hier war, würde höchstens fünf oder sechs Tage reichen. Ihre Arbeit war schwer und kräftezehrend, und die Kälte verlangte auch Energie.
    Das unmittelbare und entsetzliche Problem bestand jetzt darin, den anderen zu erzählen, daß sie dem Tod ins Auge blickten. Sie würden daraus vielleicht die Schlußfolgerung ziehen, die Ladung im Stich zu lassen. Sie wußten ja nicht, was sie hier durch die Gegend schleppten. Sie glaubten natürlich, es sei irgendwelche militärische Ausrüstung, die wohl recht wertvoll sei. Aber nicht wertvoller als ihr eigenes Leben.
    Was würde geschehen, wenn sie mit leeren Händen über die Grenze gingen? Was hatten die Leute auf der anderen Seite in dem Fall für einen Befehl? Wenn sie mit leeren Händen kamen, würde man sie vielleicht erschießen; Kolja wußte ja nicht einmal, wer ihnen auf der anderen Seite begegnen würde. Froh würden diese Leute jedenfalls nicht werden. Und wenn sie vielleicht den Verdacht bekamen, die Expedition habe die Ladung für eigenen Gebrauch beiseite geschafft?
    Es gab kein Entkommen. Sie konnten an keiner anderen Stelle über die Grenze gehen als an der verabredeten, und dort würden Leute auf sie warten.
    Er mußte sich zusammennehmen und sich des Problems so schnell wie möglich annehmen. Es war zwecklos, es vor sich her zu schieben, bis der Proviant zu Ende ging. Schon jetzt mußten sie ihre Rationen auf weniger als die Hälfte kürzen.
    Er beschloß, erst mit den Finnen zu sprechen, und ging vor Kälte und Furcht zitternd zu ihnen. Sie standen unter der Tanne und waren immer noch mit sichtlich guter Laune dabei, Rentierfleisch zu erwärmen.
    Sie glaubten zunächst, er mache einen Scherz. So dumm konnte doch kein Mensch sein, daß er nicht den Proviant sorgfältig prüfte, wenn es um das Überleben von zwölf Mann während eines ganzen Monats ging?
    Als ihnen klar wurde, daß er tatsächlich die Wahrheit sagte, sah es aus, als wollte einer der beiden zuschlagen, doch der andere bremste ihn. Dann berieten die beiden Finnen kurz in ihrer Sprache und wandten sich dann mit der einfachen und nicht ganz unerwarteten Schlußfolgerung an ihn: »Kein Proviant, kein Schleppen. Ohne Proviant erfrieren wir«, sagte der Mann, der Jorma hieß.
    Kolja nickte traurig und sagte, wenn sie die Ladung bei der Ankunft auf der anderen Seite nicht bei sich hätten, würden sie ohnehin sterben. Es sei einfach so. Sie hätten keine Chance, mit leeren Händen anzukommen und am Leben zu bleiben. Als er dies erklärte, war er selbst fest davon überzeugt, daß es sich tatsächlich genau so verhielt. Wer auch immer den Diebstahl sowjetischer Kernwaffen organisiert haben mochte, er ließ mit Sicherheit nicht zu, daß irgendwelche kleinen Fische ganz unten in der Organisation die gesamte Beute klauten. Das mit dem Proviant würde wahrscheinlich niemand glauben, da es ja viel zu dumm war, um wahr sein zu können. Die Reaktion von Jorma und Juha hatte dies überdeutlich gezeigt.
    Die beiden Finnen berieten sich erneut in ihrer Sprache und schienen sich auf etwas zu einigen. Sie nickten einander düster entschlossen zu. Dann ging der Mann, der Juha hieß, zu dem ein Stück entfernt stehenden Schlitten, schnallte sich seine Skier an und wühlte einen automatischen Karabiner hervor. Er kontrollierte, daß er geladen war, hängte ihn sich um die Schulter und verschwand in der Dunkelheit, ohne etwas zu sagen.
    »Was zum Teufel hat er vor?« flüsterte Kolja. Er war den Tränen nahe.
    »Er will etwas zu essen besorgen«, sagte Jorma ruhig und wandte sich wieder den beiden Spirituskochern zu.
    Nach einer Weile sah er hoch und lächelte Kolja an, als brauche dieser sich keine großen Sorgen zu machen.
    »Hast du die Wölfe gehört?« fragte er.
    »Ja«, erwiderte Kolja flüsternd, »natürlich. Es scheint hier viele

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