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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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gesetzlichen Möglichkeiten vortragen, Heikki. Ich habe eine Reihe von Entschlüssen zu treffen. Ich kann zunächst ja oder nein sagen, und in beiden Fällen stellt sich damit beispielsweise die Frage, welchen anderen Entscheidungsträger der Präsident in die Sache einbeziehen sollte. Soll ich mit dem Ministerpräsidenten konferieren, etwa den Außenminister hinzuziehen oder andere? Kann ich selbst Entschlüsse treffen? In welcher Reihenfolge sollten wir vorgehen? Fangen wir doch damit an.«
    »Entschuldige, wenn ich mir ein bißchen die Beine vertrete. Ich bin ein bißchen durcheinander«, erklärte der Besucher. Er stand nach einem kurzen Kopfnicken seines Präsidenten auf und ging mit energischen langen Schritten in dem großen Raum auf und ab, was ihn recht schnell wieder zu sich zu bringen schien.
    »Als Präsident des Landes bist du letztlich für die Außen und Verteidigungspolitik verantwortlich. Die Angelegenheit deckt diese Felder exakt ab, und insoweit ist alles selbstverständlich«, begann er und ging dann zweimal stumm auf und ab, bevor er fortfuhr.
    »Angesichts der unbestreitbaren Notlage, mit der wir es hier zu tun haben, kann man natürlich geltend machen, daß du im großen und ganzen überhaupt niemanden sonst hineinzuziehen brauchst, nun ja, abgesehen von denen, die den Job erledigen sollen. Eine vergleichbare Situation hat es noch nie gegeben. Historische Parallelen zu anderen Komplikationen verbieten sich allein schon aus dem einfachen Grund, daß es früher nie um Kernwaffen gegangen ist. Wir sprechen über Millionen Menschenleben, und da darf man mit der Juristerei nicht allzu kleinlich sein. Dagegen etwas anderes, eine wichtige Sache. Wie sieht diese Forderung Gorbatschows eigentlich aus? Welche Form hat sie, ich meine, er hat dich doch in dieser Sache bestimmt nicht angerufen?«
    Er blieb mitten im Raum stehen zum Zeichen, daß hier der erste notwendige Kontrollpunkt sei.
    Mauno Koivisto nickte nachdenklich.
    »Ja, das ist es gerade«, murmelte er. »Ich habe die Botschaft in einer gelinde gesagt merkwürdigen Form erhalten, das kann ich nicht einfach abtun. Aber deswegen komme ich trotzdem nicht umhin, die Angelegenheit ernst zu nehmen.«
    »In welcher Form denn?« fragte der Professor und setzte sich wieder auf seinen Platz. »Das ist nicht ohne Bedeutung. Es muß für die Nachwelt nachprüfbar sein, denn es ist ja deine wichtigste Entscheidungsgrundlage.«
    »Ein untergeordneter Spionageoberst der Sowjetunion hat einem Beamten der mittleren Ebene in unserem Außenministerium eine Botschaft übermittelt«, erwiderte der Präsident fast verschämt. Er erkannte, daß das, was er soeben gesagt hatte, in rein formaler Hinsicht nicht sehr perfekt klang und in psychologischer Hinsicht geradezu miserabel.
    »Aber lieber Herr Präsident«, rief der vor ihm stehende Mann mit einer fast peinlich deutlichen Skepsis aus. »Sollte man in einer solchen Angelegenheit nicht einen etwas offizielleren Bescheid verlangen?«
    »Doch, natürlich«, sagte der Präsident und nickte. »Das ist natürlich wahr. Aber immerhin hat die Botschaft den Inhalt, daß wir selbst die Ebene weiterer Kontakte bestimmen können. Das schließt auch die Möglichkeit eines direkten Kontakts der Präsidenten Finnlands und der Sowjetunion ein.«
    »Für diesen Weg mußt du dich entscheiden. Gar keine Frage. Ich würde sogar vorschlagen, daß du dir ein Handschreiben des Michail Gorbatschow in dieser Angelegenheit schicken läßt, nicht unbedingt mit allen Details, aber es muß inhaltlich klar genug sein, um erkennen zu lassen, worum es geht. Anschließend können wir sehen, was das Grundgesetz zu bieten hat. Ich kann mir vorstellen, daß es in einer solchen Lage eine ganze Menge ist.«
    »Ich sollte also, kurz gesagt, einen Brief an Gorbatschow schreiben und ihn fragen, ob die Botschaft ernst gemeint ist und er mir dies schriftlich versichern kann?«
    »Ja. Im Hinblick auf die außerordentlich ernsten Entscheidungen, die vor dir liegen. Unabhängig davon, ob sie so oder so ausfallen, wozu ich mich bis auf weiteres nicht äußern möchte, solltest du ein solches Dokument in der Hand halten, um weitergehen zu können. Bin ich damit entlassen und kann wieder zu meinen Gästen und meiner Krocketpartie zurückfahren?«
    Der Präsident lächelte schwach, nickte, stand auf und gab seinem Besucher die Hand, ohne noch etwas zu sagen. Er folgte seinem Gast zur Tür und hielt sie ihm auf. Sie trennten sich mit einem langen Blick und einem

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